Projekt

Gustav-Adolf-Kirche | Gemeindezentrum

Düsseldorf
Ort
Heyestraße 95, 40625 Düsseldorf
Ursprüngliche Nutzung
Kirche der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Neue Nutzung
Gemeindezentrum mit Gruppenräumen, Cafeteria, Laden, Verwaltung, Kirche
Gebäude
1878 erbaut, Architekt: Ferdinand Heye (1838–1889) | 2011 Umbau, Architekten: pier7 Architekten, Düsseldorf; Landschaftsarchitekten: Studio grün grau (ehemals FSWLA) | 2014 Neugestaltung des Kirchenraumes und Orgelprospekts, Konzeption der Prinzipalien, Architekten: LEPEL & LEPEL Architektur, Innenarchitektur, Köln
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Das Gemeindezentrum liegt im Stadtteil Gerresheim, im Osten von Düsseldorf, wo Wälder und Felder der Stadtgrenze sich der umgebenden Bebauung nähern. Das Grundstück der Gemeinde, auf dem der Kirchenbau nord-südlich ausgerichtet ist, besticht durch seine Weitläufigkeit und seinem parkähnlichen Aussehen.

Die Gebäudekomposition verzahnt sich mit der Parkanlage, die mit Bachlauf, kleinen Brücken, historischem Baumbestand, reichlich Grünflächen und Sitzmöglichkeiten zum Verweilen einlädt. Zudem verbindet die Wegführung alle Gebäude miteinander und lässt ein Dorf-Gefühl aufkommen. Unterschiedliche Aktivitäten haben innen und außen ihren neuen Platz gefunden. Durch die Baumaßnahmen wurden bestehende Gebäudeteile und Bereiche angeschlossen und barrierefrei zugänglich gemacht.

Gebäude | Bauform

Die evangelische Gustav-Adolf-Kirche wurde 1878 in Düsseldorf-Gerresheim errichtet. Auslöser war die Entwicklung einer Arbeitersiedlung der hiesigen Glashütte sowie der Mangel einer evangelischen Kirche im Ort. Der Firmengründer der „Gerresheimer Glashütte“, Ferdinand Heye, nahm diese Voraussetzungen als Anlass, den Kirchenbau finanziell zu unterstützen. Als Vorlage diente der Entwurf von Karl Friedrich Schinkel, der im Auftrag von Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1825 einen Prototyp für Kirchen im ländlichen Raum entwickelte. Zweck dieser Einheitskirchen war es, für neue und rasch wachsende Gemeinden eine kostengünstige, schnelle sowie einfache Möglichkeit zu bieten, Kirchen zu errichten. Typisch für diese Kirchenform waren neuromanische, schlichte Rundbogenbauten mit kompaktem Turm. Abweichend vom Prototyp erhielt die Kirche in Gerresheim einen großen Turm. Über die Jahre besserte die Gemeinde den Bau durch qualitativ höhere Ausstattungen auf. Seit 1984 steht die Kirche unter Denkmalschutz.

Der Gebäudebestand, der Baumbestand und der Bachlauf werden durch gezielte Abbruchmaßnahmen und die Erweiterungsbauten in einen neuen Kontext gesetzt. Das Neue Gemeindezentrum steht im Gemeindepark mit freigelegtem Bachlauf. Der denkmalgeschützte Kirchenbau der Gustav-Adolf-Kirche erscheint außen in Material, Farbe, Oberfläche zurückhaltend. Allein die Betonung der Vertikalen, mit Kirchturm und Kirchenschiff gibt Hinweis auf seine besondere Bedeutung innerhalb des Ensembles.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die sinkende Anzahl der Mitglieder und knapper werdende finanzielle Ressourcen fordern viele schrumpfende Kirchengemeinden zum Handeln auf.

In Düsseldorf-Gerresheim wird aufgrund notwendiger Umstrukturierung aus drei bestehenden evangelischen Gemeindezentren ein qualitativ aufgewertetes neues Zentrum gebildet, das für die zukünftigen Themen gerüstet ist. Die zwei übrigen Standorte werden aufgegeben. Doch die räumlichen und inhaltlichen Qualitäten der neuen Mitte versöhnen die Kritiker der aufgegebenen Standorte.

Das neue Zentrum wertet nicht nur das angrenzende Stadtquartier deutlich auf, in dem es zum Stadtteilzentrum wird und Angebote offeriert, wie ein Café, Theater, Vorträge, Hausaufgabenbetreuung, Spielplatz, Abendöffnungen, Bibliothek, Kleiderkammer etc., sondern leistet dadurch auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

Stadtleben findet immer weniger in der Öffentlichkeit statt, der Grund ist oft zu wenig Raum oder es mangelt an Angeboten, die ein Miteinander forcieren. Genau deshalb hat die Evangelische Kirchengemeinde Gerresheim ihre Anforderungen etwas anders definiert, und ihre Verantwortung als Kirche auch gern weltlich interpretiert. Das neue Gemeindezentrum reagiert und polarisiert ganz bewusst, um die Begegnung von möglichst unterschiedlichsten Menschen zu provozieren. Da erfährt die imposante alte Kirche ein modernes, lichtes Innenleben. Die Gegensätze von Alt und Neu erfolgen im Materialmix, zum Beispiel trifft blanker Stahl auf warme Eiche. Die Benutzbarkeit erfüllt die Bedürfnisse der Senioren genauso wie die der Kleinsten oder Jugendlichen, Barrierefreiheit, Feiern und Bildung ergeben eine wunderbare Harmonie. Besinnliche Momente und Veranstaltungen schließen sich nicht aus, sondern alle mit ein.

Prozess | Beteiligte

In der Evangelischen Kirchengemeinde in Düsseldorf-Gerresheim wird täglich gelebt, wovon anderswo gern geträumt wird: Das Miteinander für und in der Gemeinschaft. Eine lebendige Gemeinde braucht Raum und Nähe und freut sich über Flexibilität sowie Einfühlungsvermögen. Den Raum und das Ambiente dafür hat pier7 architekten entwickelt und damit 2009 den Architektur-Wettbewerb für sich entschieden. Gewonnen hat eine gebaute Umarmung. Vorgefunden wurden Gebäude und Baracken, die als Einzelbausteine keinen Bezug zueinander hatten. Daraus geworden ist ein in sich harmonisch geschlossener Ort, der sich nach außen weltoffen und einladend zeigt.

2014 entschied sich die Kirchengemeinde den hellen Kirchenraum und den Orgelprospekt neu gestalten zu lassen. Die Konzeption der Prinzipalien übernahm das Kölner Architektur- und Innenarchitekturbüro LEPEL & LEPEL.
Entstanden ist eine Flexibilität für Vielfalt: Presbyterium und Gemeinde wünschten im Wettbewerb Prinzipalien, welche flexibel traditionelle, wie auch moderne Gottesdienstformen ermöglichen. In das Konzept für das Ensemble aus Altar, Ambo, Kreuz, Taufbecken, Orgel fließen Geschichte und Kultur der drei zusammengezogenen Gemeinden ein. Materialien und Farbgebung stehen mit ihrer Wärme und ihrem Glanz im bewussten Kontrast zur Kühle des sanierten denkmalgeschützten Kirchenraums.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Von außen wirkt die Bebauung durchlässig und einladend. Es bietet Einblicke und scheint Besucherinnen und Besucher zu erwarten. Eingebettet zwischen Baumkronen und Grünflächen werden die Gebäude als organische Bestandteile des Areals wahrgenommen. Großflächige Glasfronten verschmelzen Innen mit Außen. Das Gemeindebüro bleibt als Identifikationsbaustein erhalten, beherbergt aber nun das Pfarrbüro, wo vertraute Gesprächssituationen wichtig sind.

Die Erweiterungsbauten umschließen das Vorhandene und bilden einen kommunikativen Innenhof aus. Der Zugang zur Kirche wurde als Empfangsgeste gestärkt, der Lindenbestand gelichtet, ausgerichtet und durch neue Bäume ergänzt. Das imposante Kirchengebäude ist jetzt bereits von der Straße her sichtbar. Gemeindeleben wird Stadtleben und umgekehrt.

Ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln gelingt nach innen durch Brücken, Wege und den renaturierten Bach. Materialien wie Holz, Sichtbeton und Stahl werden entsprechend ihrer natürlichen Ausprägung und Farbigkeit eingesetzt. Der Rot durchgefärbte, strukturierte, mineralische Putz ergänzt die bestehenden Klinkerbauten.

Das neue Gemeindezentrum bietet Freiräume für die unterschiedlichsten Aktivitäten, strahlt durch viel Glas Weltoffenheit aus, ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Besinnung. Die Neubauten sind als „offene Gebäude“ optimiert transparent und einladend gestaltet. Die Gebäudeerschließung und die Aufenthaltsräume sind mit Bezug zum Gesamtensemble und dem Blick in die Parklandschaft angeordnet.

Betritt man den Innenraum der Kirche erstrahlt alles im Licht. Alle Oberflächen sind konsequent weiß. Hier entfalten die Oberflächen der Gussstützen oder die kassettierten Brüstungen durch ihr Relief ihre Wirkung. Die Beleuchtung ist zurückhaltend angeordnet und dient alleine der Lichtwirkung. Die Podest-Einbauten der Empore sind abstrakte Blockstufen mit warmen Holzoberflächen in Eiche-Natur.

Die Evangelische Kirche Gerresheim entschied sich für eine Vorbildfunktion, um andere Gemeinden ebenfalls zu animieren, auf erneuerbare Energien und innovative Technologien umzustellen. pier7 architekten empfahl ein BHKW/ Blockheizkraftwerk, dass die maximale Energieausbeute bei niedrigstem CO2-Ausstoß garantiert. In Kombination mit der Kompaktbauweise, hochdämmenden Bauteilen, einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, Fenstern auf höchster Energiesparstufe, energiesparenden Leuchtmitteln und bewegungsgesteuerter Raumbelichtung, um nur einige zu nennen, ergibt sich eine Energiebilanz auf Niedrigenergiehausstandard. Das setzt neue Standards und erweitert die Verantwortung der Kirche gegenüber der Gemeinde auch auf dem Gebiet der Umweltschonung.

Besonderheiten | Erfahrungen

Die evangelische Kirchengemeinde lobte 2009 einen beschränkten Realisierungswettbewerb aus, den das Architekturbüro pier7 architekten mit dem 1. Preis gewann in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten Studio grün grau (ehemals FSWLA).

pier7 architekten, Düsseldorf


Zur Neugestaltung des Kirchraumes und des Orgelprospekts sowie Konzeption der Prinzipalien:

Stärkung des Gemeinschaftsgefühls: Der Kirchenraum wird durch die neue Anordnung der denkmalgeschützten Bänke geordnet und gefasst. Im nun freien Mittelraum ermöglichen Stühle verschiedene Varianten der Möblierung. Hochzeiten oder reguläre Sonntagsgottesdienste können klassisch frontal abgehalten werden. Für ein intensiveres Miteinander werden die Stühle halbkreisförmig um den zentral im Raum aufgestellten Altar angeordnet. Bei Kindergottesdienste können die ersten Stuhlreihen einem niedriger aufgebauten Altar inmitten von Sitzkissen weichen.

Freie Anordnung der Prinzipalien: Altar, Taufbecken, Ambo sowie zusätzliche Auflagen für Kerzenständer oder Bibel lassen sich wie ein Baukasten zusammensetzen. Elemente aus Robinienholz ruhen massiv auf filigranen Messingrahmen. Die eleganten und leichten Trägerstrukturen der Prinzipalien können unaufwändig im Raum versetzt werden.
Ineinander geschoben bilden die drei Rahmen eine komplexe, aber geordnete Einheit als sinnhaftes Abbild der neuen Gemeindestruktur. Einzeln definieren sie liturgische Orte im Raum.

Wandkreuz: Das Wandkreuz aus Messingprofilen verbindet sich organisch mit der Farbigkeit der Fenster und der Maßstäblichkeit der Architektur. Es wurde programmatisch vor dem mittleren Fenster der Apsis angeordnet. Die ursprünglich hier vorgesehene Projektionsfläche auf die Seiten der Emporen verbannt.

Dynamischer Orgelprospekt: Die leichten Rahmenstrukturen der Prinzipalien finden sich auch im Prospekt der Orgel wieder. Die wie ein Rhythmus angeordneten Pfeifen werden in Messingrahmen optisch gefasst. Sie sind nicht klassizistisch symmetrisch angeordnet, sondern frei, wie eine Tonfolge oder wie pulsierende Herzschläge. Sie setzten eine Kontrapunkt zum denkmalgeschützten Kirchenraum.

LEPEL & LEPEL Architektur, Innenarchitektur, Köln

Weitere Informationen zum Projekt:

https://evangelisch-in-gerresheim.de