Projekt

Christuskirche | Kirche, Wohnen und Gewerbe

Köln
Ort
50672 Köln, Dorothee-Sölle-Platz 1
Ursprüngliche Nutzung
evangelische Gemeindekirche
Neue Nutzung
Nutzungserweiterung zu Kultur-, Wohn- und Gewerbezwecken
Gebäude
1891–1894 erbaut, Architektur: August Hartel & Skjøld Neckelmann | seit 1894 Gemeindekirche der evangelische Kirche Köln | 1944 zerstört | 1951 Einweihung neu errichtetes Kirchenschiff | 1982 Kirchturm wird unter Denkmalschutz gestellt | 2008 Wettbewerb zur Integration von Wohn- und Gewerbeflächen, 1. Preis und Realisierung: Maier Architekten & Hollenbeck Architektur | 2014 Beginn der Bauarbeiten | 2016 Fertigstellung und Wiedereröffnung
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht teilweise unter Denkmalschutz.

Ortslage I Städtebauliche Situation

Die evangelische Christuskirche befindet sich im Zentrum des Stadtgartenviertels, einem innenstadtnahen Quartier in Köln. In direkter Nähe befindet sich der Westbahnhof sowie der innere Grüngürtel der Stadt Köln an der Venloer Straße. Das Gebiet wird durch Blockrandbebauungen für Wohn-, Gewerbe- und Gastronomiezwecke strukturiert. Unweit der Christuskirche verläuft die belebte Friesenstraße samt Friesenplatz. Die Christuskirche findet sich insgesamt in einer sehr lebendigen, urbanen Umgebung wieder.

Der 77 Meter hohe Kirchturm prägt das Stadtgartenviertel seit jeher und dient als zentraler Orientierungspunkt. Eine öffentliche Parkanlage, der Stadtgarten, beginnt direkt westlich des Kirchengebäudes. Östlich befindet sich der Hauptzugang im historischen Kirchenturm.

Gebäude I Bauform

Das ehemalige Kirchengebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts von 1891 bis 1894 errichtet und war somit die erste Kirche in der entstandenen Kölner Neustadt. Sie war als Hallenkirche mit eingesetztem Querschiff im neugotischen Stil konzipiert. Der prominente Turm, in dem sich noch immer das Haupteingangsportal befindet, wurde nach Westen zur Stadt ausgerichtet. Zum Kirchenschiff deutlich abgesetzt befand sich der Chorbereich am östlichen Ende des Gebäudes.

Aufgrund der sehr zentralen Lage erlitt das Kirchengebäude während des Zweiten Weltkrieges starke Beschädigungen. Lediglich Teile des Kirchturms mit seinem historischen Gewölbekeller blieben erhalten. Nach Kriegsende wurde der Turm dann saniert, das vollständig zerstörte Kirchenschiff wurde abgetragen und durch eine Saalkirche ersetzt. Diese wurde im Duktus der zu dieser Zeit in ganz Deutschland entstehenden Notkirchen als schlichte Hallenkirche in Stahlbauweise errichtet. In Kombination mit dem Turm im neogotischen Baustil ergab sich ein offen zur Schau gestellter Stilmix zwischen Moderne und Historie.

Historische Bedeutung I Soziales Umfeld

Die Christuskirche bildet seit über einem Jahrhundert das Zentrum der lokalen evangelischen Gemeinde. Neben Gottesdiensten und Gemeindetreffen ist sie auch als Ort für kulturelle und soziale Dienste für das gesamte Stadtgartenviertel von Bedeutung. Aufgrund der heterogenen Nachbarschafts- und Sozialstruktur ist die Kirche der Treffpunkt für Dialog und Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen der Gemeinde. Diese Nutzungen führten zu einer außergewöhnlichen Präsenz im Stadtquartier und haben auch dazu beitragen, dass eine geplante Veräußerung des Grundstückes samt Kirchengebäude letztendlich abgewendet werden konnte.

Prozess I Beteiligte

In den 1980er Jahren wandelte sich die Gemeindestruktur im Kölner Stadtgartenviertel. Immer mehr Gewerbe- und Büroflächen wurden erschlossen, die Wohnnutzung ging anteilig zurück. Der Rückgang der Gottesdienstteilnahmen begründete für die Gemeindeverwaltung die Idee das Grundstück samt Kirche an einen Investor zu verkaufen und Wohn- und Gewerberäume zu schaffen. Auflage war dabei die Erhaltung des denkmalgeschützten Kirchturmes.

Dieser Plan führte allerdings zu einem starken Engagement der lokalen Bevölkerunggegen diesen Prozess und die Entwicklung der Kernimmobilie durch einen Investor. Der Plan wurde daher wieder verworfen, stattdessen konnten Landesmitteln für eine aufwendig Sanierung des Kirchturms eingesetzt werden.

Der fortgesetzte Rückgang der Gemeindemitglieder führte 2008 dazu, den Plan des Verkaufs an einen Investor wieder in Angriff zu nehmen. Auch diesmal wollte die Gemeinde allerdings selbst bestimmen, was mit der Christuskirche zu geschehen hat. Statt einer Veräußerung entschloss man sich dazu, selbst ein Konzept zur Integration von Wohn- und Gewerbeflächen zu planen und umzusetzen. In Zusammenarbeit mit zwei lokalen Architekturbüros wurde schließlich 2014 mit den Umbauarbeiten begonnen.

Nutzungskonzept I Neunutzung

Im Zuge der Neukonzeption ist eine Mischnutzung aus sakralen Funktionen mit Wohn-, Gewerbe und Kulturzwecken entstanden. Der historische Kirchturm wurde saniert und dient noch immer als Zentrum des Areals. Das in der Nachkriegszeit errichtete Kirchenschiff wurde abgerissen und durch den Neubau eines deutlich kleineren Gottesdienstraumes ersetzt. Flankierend wurden beidseitig des Kirchturmes riegelartige Neubauten errichtet, in denen Wohnungen sowie Gemeinde- und Gewerberäume untergebracht sind.

Der neue Gottesdienstraum präsentiert sich als bewusst moderner Gegenpart zur historischen, neogotischen Architektursprache des denkmalgeschützten Kirchturmes. Die polygonale Form lässt den Baukörper wie eine Faltung wirken, oben fällt gezielt viel Tageslicht in den Innenraum, der ohne Barriere an den Turm anschließt und auch die historische Orgelempore integriert. Die Modernität des Raumes unterstützt bewusst das zukunftsweisende Konzept der Gemeinde: Neben traditionellen Gottesdiensten finden in dem multifunktional nutzbaren Raum auch Kulturveranstaltungen für alle Altersgruppen sowie regelmäßig auch gemeinsame Mahlzeiten statt.

Die Gemeinde und auch die Christuskirche verstehen sich nicht als separierte Räume in der Stadtumgebung, sondern wollen eine aktive Einheit des Quartiers bilden. Diese Offenheit wird auch nach außen durch eine helle, lebendige Architektursprache des Kirchraumes sowie der flankierenden Riegel transportiert. Der Kirchraum wurde zum neu gebildeten Quartiersplatz und mit einer Cortenstahl-Fassade eingehaust. Filigrane Perforierungen erzeugen das abstrakte Bild eines Kreuzes. Die riegelförmigen Neubauten wurden extra mit einer hellen Fassade versehen, um einen Kontrast zum historischen Turm auszubilden. Die Gebäudeform erzeugt mit ihrer leichten Polygonalität trotzdem eine gewisse Lebendigkeit, welche auch durch die unregelmäßig angeordneten Öffnungen für Fenster und Loggien unterstützt wird.

Auf insgesamt 5.200 Quadratmetern Nutzfläche finden seit Fertigstellung des Projektes im Jahr 2016 Gemeinderäume, verschiedene Gewerbebetriebe sowie insgesamt 21 Mietwohnungen Platz.

Besonderheiten I Erfahrungen

Durch den Umbau des Areals der Christuskirche ist es gelungen, einen urbanen Ort zu schaffen, an welchem sich Sakralität, Kultur und Soziales räumlich treffen. Die Kirche bleibt dadurch ein natürlicher, aktiver Teil des Quartiers. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die evangelische Gemeinde das Projekt selbst umgesetzt und nicht an einen Investor ausgelagert hat, um die Kontrolle und Entscheidungshoheit über die Entwicklung zu behalten.

Weitere Informationen zum Projekt:

https://christuskirche-koeln.de