Projekt

Dreifaltigkeitskirche | Soziales Wohnprojekt und Gewerberäume

Münster
Ort
Grevener Straße 102, 48147 Münster
Ursprüngliche Nutzung
Kirche des Bistums Münster
Neue Nutzung
Soziales Wohnprojekt und Gewerberäume
Gebäude
1937–1939 erbaut, Architekten: Heinrich Besteller und Alfred Hörmann | 1945 wiederaufgebaut | 1963-2010 Nutzung der Krypta durch polnische Gemeinde Münster | 2010 profaniert und geschlossen | 2010 Verkauf an das Wohnungsunternehmen der Stadt Münster „Wohn+Stadtbau" | bis 2012 Umbau, Architekten: Pfeiffer, Ellermann, Preckel, Münster
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Direkt am großen Verkehrsring um die Münsteraner Innenstadt an einer vielbefahrenen Kreuzung befindet sich die Dreifaltigkeitskirche. Schräg gegenüber befindet sich ein großes Einkaufszentrum sowie die Hauptfeuerwache der Stadt Münster.

Mit dem hohen Eingangsprotal sowie dem auffällig massiven Kirchturm ist die Dreifaltigkeitskirche ein auffälliger und sehr prägnanter Baustein des nördlichen Stadtgebietes am Übergang von Innenstadt zur ruhigeren Wohnbebauung.

Gebäude | Bauform

Die Dreifaltigkeitskirche präsentiert sich als schlichter, funktionaler Backsteinbau in bewusst massiver Bauweise mit prägnantem, freistehendem Kirchenturm. Der Einsatz des schweren rot-bräunlichen Ziegelsteins in Kombination mit wenigen, gezielt gesetzten Öffnungen geben dem Sakralgebäude eine sehr verschlossene Aussenwirkung. Aufgebrochen wird diese Stimmung durch das raumgreifende Eingangsportal in der Westfassade, welches komplett verglast ist.

Die Bestandsarchitektur orientiert sich stark an Motiven der frühmittelalterlichen Romanik, eine Zusammensetzung aus einfachen geometrischen Baukörpern formt das Gesamtbild. Im Inneren war die Kirche als Hallenkirche mit halbrundem Chorabschluss nach Osten konzipiert, wo sich früher der Altarbereich befand.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die Kirche gehört zu den wenigen Kirchenneubauten, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geplant und errichtet wurden. Sie diente der örtlichen katholischen Gemeinde als Rückzugs- und Gemeinschaftsort. In Erwartung des baldigen Krieges gab es jedoch besondere Auflagen für den Sakralbau, so durfte beispielsweise der Kirchturm nicht höher als der Dachfirst ausgebildet werden, um kein zu leichtes Ziel für feindliche Angriffe darzustellen. Trotz dieser Bemühungen wurde die Kirche im zweiten Weltkrieg stark zerstört, der Wiederaufbau nach historischem Vorbild begann bereits kurz nach Kriegsbeginn und dauerte bis 1947.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

Nach einigen liturgischen Umbauten wurden Anfang des neuen Jahrtausends schließlich verschiedene lokale Gemeinden zusammengelegt und es erfolgte auch eine Neuorganisation der Kirchengebäude. In Zuge dessen wurde die Dreifaltigkeitskirche immer weniger für Gottesdienste genutzt. Als dazu dann das Dach als einsturzgefährdet erklärt wurde, entschloss sich das Bistum dazu, die Kirche außer Dienst zu stellen. Ab diesem Punkt begann die Suche nach einer Nutzung für das denkmalgeschützte Gebäude.

Prozess | Beteiligte

Die katholische Bischof-Hermann-Stiftung hat schnell das Konzept für ein Obdachlosen-Wohnheim in der Kirche entwickelt. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gestaltete sich die Umsetzung allerdings sehr schwierig. Schließlich stieg die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Münster in das Projekt ein. Durch die Erweiterung des Konzeptes auf eine Mischnutzung mit gewerblich nutzbaren Büroräumen im obersten Geschoss sowie weiteren Mietwohnungen in zwei neu errichteten Anbauten an das Kirchengebäude konnte das Projekt schließlich umgesetzt werden. Seit der Fertigstellung des Umbaus 2013 werden nun mehrere Nutzungen unter dem Dach der ehemaligen Kirche vereint. Neben Einrichtungen für betreutes Wohnen für Obdachlose ab 60 Jahren in den unteren Etagen sind in den oberen Etagen verschiedene gewerbliche Mieter untergebracht. Die Mietwohnungen in den Anbauten sind über Brücken mit dem Kirchengebäude verbunden.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Die Umsetzung des gemischten Nutzungskonzeptes wurde räumlich vom Architekturbüro Pfeiffer Ellermann Preckel aus Münster konzipiert. Da die Außenfassade unter Denkmalschutz steht, entschieden sich Bauherr und Architekt dazu, einen selbsttragenden Kern in den ehemaligen Innenraum der Kirche zu setzen, welcher von den historischen Mauern umschlossen wird.

Zentrum dieses Kerns ist der offene Lichthof, der über eine durchgehende Dachverglasung mit viel Tageslicht versorgt wird. Die zentrale Blickachse durch das ehemalige Kirchenschiff bleibt dadurch in neuer Form erhalten. Gläserne Brücken verbinden die beiden Seitentrakte auf allen Ebenen und geben dem Raum Lebendigkeit. Symbolisch stehen sie für die verschiedenen Nutzungen, die hier unter einem Dach zusammengekommen sind.

Über eine grünlich schimmernde Industrieverglasung gelangt das Licht vom Innenhof bis in die Nutzräume der verschiedenen Etagen. Nach Inneren sind dabei die Flurzonen angeordnet, an den Außenwänden befinden sich die Wohn- bzw. Büroräume, welche über behutsam integrierte Fensteröffnungen in der Fassade mit Licht und Luft versorgt werden.

Die Spannung zwischen historischem Bestand und Neubau ist vor allem im ehemaligen Chorraum zu spüren. Hier ragt der neue Baukörper mit seiner kubischen Form in die Rundung der Kirche ein. Neu und Alt trennt nur noch eine Luftschicht, auch das historische Dachgestühl ist sichtbar. Durch den hohen Glasanteil des Neubaus wird der Kontrast zusätzlich verstärkt.

Besonderheiten | Erfahrungen

Bei der Umnutzung der Dreifaltigkeitskirche ist eine erfolgreiche Zusammenführung verschiedener Nutzungen unter dem Dach der ehemaligen Kirche gelungen. Verschiedene gewerbliche Nutzer haben ihre Büroräume in den oberen Geschossen, unten befinden sich Wohnräume für Obdachlose, die hier lernen sollen, ihr Leben wieder selbst zu organisieren. Es entsteht ein lebendiger Ort, der zum Geist der ehemaligen Kirche passt.

 

Felix Hemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

http://wohnhilfen-muenster.de