Projekt

Heilige Familie | Veranstaltungsraum und Büronutzung

Köln
Ort
50937 Köln, Elisabeth-von-Mumm-Platz 1
Ursprüngliche Nutzung
Kirche des Waisenhauses am Sülzgürtel
Neue Nutzung
Veranstaltungsraum und Büronutzung
Gebäude
1923 eingeweiht | 1944 Zerstörung des Kirchenschiffes durch Bombardierungen | 1955 - 1958 Wiederaufbau, Architekten: Dominikus Böhm und Gottfried Böhm | 2009 Entschluss zur Schließung des Waisenhausstandortes | 2012 Machbarkeitsstudie zur Umnutzung des Waisenhausareals in ein Wohnquartier | 2014 Architekturwettbewerb für den Umbau der Kirche zu einem Veranstaltungsort, Gewinner: Nebel Posse Architekten, Köln | 2020 Eröffnung
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Bei der Kirche Heilige Familie in Köln handelt es sich um die ehemalige Kirche des Waisenhauses am Sülzgürtel, dem zeitweise größten Kinder- und Waisenhaus Europas. Hier waren bis zu 1.000 Kinder gleichzeitig untergebracht, bis die Einrichtung ab 2009 schrittweise in kleinere Räumlichkeiten an anderer Stelle in Köln umzog.

Das Areal, auf dem mehrere Gebäuden standen, wurde in ein Wohnraumquartier transformiert, wofür die meisten Bestandsgebäude abgerissen wurden. An deren Stellen finden sich die ersten Mehrfamilienhausprojekte aus Baugemeinschaften in Köln.

Erhalten wurde jedoch das Kirchengebäude, welches bereits früher den Mittelpunkt der Anlage darstellte, und das auch heute das Zentrum des jungen Wohnquartieres bildet. Das Quartier grenzt im Nordosten an den Sülzgürtel, ein Teil des äußeren Straßenringes um das Kölner Innenstadtgebiet. Das Sakralgebäude springt durch einen großzügigen freien Vorplatz von der vielbefahrenen Straße zurück und grenzt sich dadurch von der umgebenden Blockrandbebauung ab. Der Freiplatz markiert gleichsam den Auftakt des Quartiers und betont die hervorgehobene Stellung des Kirchengebäudes im Stadtumfeld.

Seit der Umnutzung des Gebäudes erfolgt der Hauptzugang über den Vorplatz zum Sülzgürtel. Das ehemalige Haupteingangsportal befindet sich jedoch auf der gegenüberliegenden Seite im noch erhaltenen neobarocken Kirchturm. Vor dem Turm befindet sich ein zweiter großer Freiplatz, der heute als „Platz der Kinderrechte“ an die teils umstrittene Vergangenheit des Waisenhauses erinnert.

Entlang beider Längsseiten wird die Kirche Heilige Familie von neugebauten Mehrfamilienhäusern eingerahmt. Lediglich zwei Gebäude aus der Nachkriegszeit, die direkt zu beiden Seiten des Kirchenschiffes liegen, wurden im Zuge der Umstrukturierung des Quartiers erhalten und ebenfalls für neue Nutzungen umgebaut. Hier befinden sich unter anderem ein inklusiv betriebenes Café und ein Lebensmittelgeschäft. Die beiden Gebäude sind über Brücken mit dem vormaligen Gottesdienstraum im ersten Obergeschoss des Sakralgebäudes verbunden.

Gebäude | Bauform

Die Errichtung des Kinderheimkomplexes begann kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die Kirche Heilige Familie wurde als neobarockes Gebäude 1923 fertiggestellt. Das Gebäude wurde 1944 bei Luftangriffen schwer beschädigt, lediglich der Kirchturm blieb unversehrt. Mitte der 1950er Jahre wurde der Kölner Architekt Dominikus Böhm mit dem Wiederaufbau des Kirchenschiffes beauftragt. Durch den Tod des Architekten kurz vor Beginn der Bauarbeiten übernahm der Sohn Gottfried Böhm das Projekt, das schließlich 1958 fertiggestellt wurde.

Das neue Kirchenschiff mit seiner nüchternen und funktionalen Formsprache kontrastiert bewusst den neobarocken Bestand. Die Außenmauern wurden aus lageweise aufgeschüttetem Beton errichtet, dem teilweise gemahlene Trümmerziegel als Farbpigmente beigemischt wurden. Die dadurch leicht changierende Farbigkeit lassen sich noch heute gut erkennen.

Das Besondere an der Raumkonzeption ist, dass sich der Gottesdienstraum im ersten Obergeschoss befindet und über Brücken mit den benachbarten Gebäuden verbunden ist.

Die Außenwand wird umlaufend von einem bildhaften Betonrelief überzogen, welches einen Hirten mit einer Schafherde darstellt, was sinnbildlich für die Fürsorgepflicht der Einrichtung gegenüber den Kindern steht.

Der Gottesdienstraum wird durch 128 achteckige Fenster beleuchtet, deren Bleiverglasungen zeigen musizierende Kinder, wodurch ein großer Kinderchor symbolisiert werden soll. Der helle Natursteinboden und die gefaltete, weiße Abhangdecke bilden einen starken Kontrast zu den dunklen Betonwänden aus, die auch im Innenraum sichtbar belassen wurden.

Eine liturgische Besonderheit des Innenraumes stellte der große Baldachin über dem Altar dar. Beides musste aufgrund kirchenrechtlicher Bestimmungen nach der Profanierung ausgebaut und zerstört bzw. eingelagert werden.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Als Kirche des Waisenhauses war Heilige Familie nie eine klassische Gemeindekirche. Sie diente neben den Gottesdiensten auch als zentraler Treffpunkt und Veranstaltungsort für die Kinder und Bediensteten der Einrichtung, hier fanden beispielsweise regelmäßig Chor- und Musikveranstaltungen statt.

Diese Tradition als sozialer Ort wurde bei der Quartierstransformation aufgegriffen und neu interpretiert. Es finden nun öffentliche Musik- und Kulturveranstaltungen statt, auf den Vorplätzen der Kirche spielt sich das öffentliche Leben im Quartier ab. Zudem kann der Raum auch für private Feierlichkeiten gemietet werden.

Prozess | Beteiligte

Im Jahr 2009 wurde der Beschluss gefasst, das Waisenhaus an einen anderen Ort in Köln zu verlegen, da das Areal zu groß geworden war, was im Jahr 2012 schließlich auch vollzogen wurde. In einem städtebaulichen Masterplan von Luczak Architekten & FSW Landschaftsarchitekten wurde das Konzept eines neuen Wohnquartieres entwickelt. Das Kirchengebäude wurde dabei bereits als Mitte einbezogen. Die meisten historischen Bauten wurden im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses abgerissen, in einzelne Baufelder aufgeteilt und mit gemeinschaftlichen Bauprojekten bespielt.

Für den Umbau der Kirche Heilige Familie zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt, den das Kölner Büro Nebel Pössl Architekten für sich entscheiden konnte. Umgesetzt wurde das Projekt dann von der Sülzer Wohnungsgenossenschaft, was unter anderem zur Folge hatte, dass statt eines ursprünglich angedachten Restaurants im verglasten Erdgeschossbereich Büros für die Genossenschaft entstanden sind. Der Umbau selbst fand in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege und auch dem Büro Böhm statt.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Seit 2020 wird der ehemalige Gottesdienstraum für öffentliche und private Veranstaltungen genutzt. Das neue Raumkonzept hat dabei die ursprüngliche Raumrichtung bewusst umgekehrt. Im ehemaligen Altarbereich befindet sich nun die neue Haupttreppe, über die der Raum aus dem Erdgeschoss heraus erschlossen wird. Direkt angrenzend an die Treppe liegt der neue Thekenbereich, der sich durch seinen einbauartigen, möbelhaften Charakter unaufgeregt in den Gesamtraum einfügt.

Besonderheiten | Erfahrungen

Da die Kirche fest zum städtischen Waisenhaus gehörte, war sie Eigentum der Stadt Köln, wurde jedoch von der katholischen Kirche betrieben. Trotz dieser besonderen Konstellation konnte die Kirche im Zuge der Transformation des gesamten Quartiers als lebendige Mitte in die Planung integriert werden. Der feinfühlige Umbau des Innenraumes durch wenige gezielte Eingriffe lässt den ursprünglichen Raumeindruck erlebbar werden. Die Verbindungsbrücken zu den Nachbargebäuden wurden auf Verlangen der Denkmalbehörde erneuert und mit einer modernen Fassade versehen, die die achteckige Form der Bestandsfenster spielerisch aufnimmt.

Felix Hemmers

Quellen:

Stefanie Lieb: Tagungsbericht von “Kirche weitergebaut XI” online am 30.11.2020

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.nebelpoessl.de/kirche-zur-heiligen-familie-koeln/