Projekt

Christuskirche | „Kirche der Kulturen”

Bochum
Ort
Platz des europäischen Versprechens 1, 44787 Bochum
Ursprüngliche Nutzung
Kirche der Evangelischen Kirche von Westfalen
Neue Nutzung
Kulturkirche
Gebäude
1877-1879 erbaut, Architekten: Hartel und Quester | 1925 Gestaltung der Eingangshalle im Turm als Gedenkhalle | 1957 wiederaufgebaut, Architekt: Dieter Oesterlen (1911-1994) | 2005 Sanierung und Nutzung als „Kirche der Kulturen"
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die evangelische Christuskirche Bochum befindet sich im Stadtzentrum in direkter Nähe zum Rathaus auf dem heutigen Platz des europäischen Versprechens. Das Sakralgebäude samt rundherum verlaufendem Vorplatz wird allseitig von einer dichten Bebauung umgeben. Dazu gehören neben dem städtischen Rathaus auch die Volkshochschule samt Stadtbücherei sowie der evangelische Kirchenkreis.

Das Kirchengebäude liegt weit zurückgesetzt vom Straßenbereich inmitten dieser großformatigen Strukturen. Durch den hohen Kirchturm sticht es dennoch klar hervor. Zum südlichen Willy-Brandt-Platz wurde der historische Kirchturm nicht verbaut, wodurch er im Stadtraum frei erkennbarist.

Richtung Süden und Osten erstreckt sich im weiteren Verlauf die Innenstadt Bochums mit Geschäften sowie Gastronomie- und Kultureinrichtungen. Nach Westen wird das Areal durch den Innenstadtring von den äußeren Bochumer Stadtteilen abgetrennt.

Gebäude | Bauform | Historie

Die Errichtung der Christuskirche Bochum fällt in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurde von den Architekten August Hartel und Theodor Quester als neugotische Basilika konzipiert und im Jahr 1879 nach dreijähriger Bauzeit eingeweiht. Das Kirchengebäude entstand in dieser frühen Zeit der Industrialisierung in direkter Nähe zum „Bochumer Verein“, einem der damals größten Stahlwerke Deutschlands. Der 72Meter hohe Turm war zu dieser Zeit das höchste Bauwerk der Stadt.

Die Geschichte der Christuskirche Bochum ist eng mit den beiden Weltkriegen verbunden. Im Jahr 1931 wird im Kirchturm ein aufwendig gestalteter Gedenkraum eingeweiht. An Wänden und Decke befindet sich ein Mosaik, in das die Namen im Krieg gefallener Gemeindemitglieder eingearbeitet sind. Auch verschiedene Ländernamen als damals angebliche Feinde der Nation sowie ein Bildnis für den Heldentod gehören dazu. Während des Zweiten Weltkrieges wird das Bauwerk durch die Nähe zum Bochumer Stahlwerk zum Ankerpunkt für britische Luftangriffe. Im Jahr 1943 wird das gesamte Kirchenschiff zerstört, der Kirchturm übersteht die Angriffe.

Der Architekt Dieter Oesterlen entwirft nach dem Krieg ein neues, modernes Kirchenschiff, der historische Kirchturm bleibt erhalten. Er konzipiert den neuen Gottesdienstraum dabei bewusst als sicht- und fühlbaren Bruch mit der Vergangenheit. Ein polygonaler Bau aus Mauerwerk, Holz und Beton stellt sich der historischen Architektur des Kirchturms entgegen und bildet mit dieser doch eine Einheit. Über den Außenwänden aus Mauerwerk und Glas faltet sich ein filigranes Betondach auf, das nach außen als Kupferdach sichtbar ist. Durch klare Fugen wirkt die Decke im Innenraum fast schwebend, was auch durch den kompletten Verzicht auf Stützen verstärkt wird. Holzelemente vermitteln im Übergangsbereich zwischen den Materialien. Der neue Raum wird von der reinen Materialwirkung und der strengen geometrischen Form dominiert. Er wirkt wie ein Zelt, das die Gemeinde unter sich zusammenführt und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Über einen gläsernen Gang sind Kirchenschiff und frei stehender Turm miteinander verbunden. Die Christuskirche Bochum gilt als wichtiges Zeugnis für den Sakralbau der Nachkriegsmoderne.

In den 1990er Jahren sollte der sanierungsbedürftige Turm aufgrund der hohen Kosten abgerissen werden, was durch das Engagement einer lokalen Bürgerinitiative verhindert werden konnte. Es wurden Spenden für den Erhalt des Gebäudes gesammelt, auch durch viele kulturelle Benefizveranstaltungen in der Christuskirche Bochum. Seit dem Jahr 2000 wird der Ort regelmäßig für Konzert- und Kulturveranstaltungen genutzt und firmiert unter dem Namen „Kirche der Kulturen“.

Nutzungskonzept

Als „Kirche der Kulturen“ versteht sich die Christuskirche Bochum als ein Ort der Verständigung durch Kultur. Das Liturgische steht dabei weiterhin im Mittelpunkt, alle stattfindenden Veranstaltungen lassen sich mit Aussagen der Heilige Schrift in Verbindung setzen. Die Bandbreite reicht dabei von klassischenKonzerten, Rockkonzerten, Lesungen, Vorträgen, Diskussionen bis hin zu Poetry Slams.

Besonderheiten

Die Entstehung der „Kirche der Kulturen“ in der Christuskirche Bochum ist eng mit der Geschichte des Gebäudes verwoben und  Ausdruck der aktiven bzw. sichtbaren Auseinandersetzung mit dieser. Einst ein Ort der Kriegshuldigung, der nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs durch das neue Kirchenschiff zum offenen Bruch mit der Vergangenheit wird. Seitdem die Bürger*innen denAbriss des Kirchturmes verhinderten, ist die Christuskirche Bochum als „Kirche der Kulturen“ Ausdruck einer neuen Verständigung der Menschen durch Kultur und Austausch.

Felix Hemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

https://christuskirche-bochum.de