Projekt

Marktkirche | „Marktkirche Essen“

Essen
Ort
Markt 2, 45127 Essen
Ursprüngliche Nutzung
Evangelische Kirche im Rheinland
Neue Nutzung
Ort für Kunst, Musik und Gottesdienste
Gebäude
1054 erstmalige schriftliche Erwähnung, Architekt: k.A. | 1943-45 Vollständige Zerstörung | 1950-1952 Wiederaufbau der zwei östlichen Joche | 1995 Wettbewerbsentscheid zugunsten des Architektenbüros Gerber & Partner, Dortmund | 2004–2006 Umbau des Westchors | 2006 Wiedereröffnung | 2011-2012 Sanierung | 2012 Einweihung des neuen Eingangsportals
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die evangelische Marktkirche liegt im Zentrum der Essener Innenstadt direkt am historischen Markt, der einst wichtigster Handels-, Politik- und Gesellschaftstreffpunkt der Stadt war. Heute liegt der ehemalige Marktplatz in einem wichtigen Kreuzungspunkt der Essener Fußgängerzone. Richtung Osten beginnt das Einkaufszentrum „Rathausgalerie“, das über eine eigene U-Bahnstation verfügt. Nach Norden und Süden erstreckt sich die Fußgängerzone mit Einkaufsgeschäften und gastronomischen Betrieben. In unmittelbarer Umgebung befindet sich zudem der Essener Dom, zwischen beiden Sakralgebäuden besteht eine direkte Sichtachse. Richtung Westen schließt der Kennedyplatz, der größte Platz der Innenstadt, an den Vorplatz der Marktkirche an.

Städtebaulich nimmt die Marktkirche aufgrund ihrer Lage eine gehobene Position ein. Sie gilt als ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt, durch regelmäßige Gottesdienste sowie Kunstausstellungen und Musikveranstaltungen werden Gemeindemitglieder als auch Publikumsverkehr angezogen. Regelmäßig werden an der Fassade Statements für Vielfalt und Menschenrechte platziert, die in den Stadtraum einwirken und aufgrund der sehr belebten Umgebung viele Menschen erreichen.

Baulich tritt die Marktkirche deutlich hinter dem Essener Dom zurück. Nach den Zerstörungen aus dem Zweiten Weltkrieg wurde sie in deutlich kleinerer Form wieder errichtet, auf den Wiederaufbau des Kirchturmes wurde komplett verzichtet. Dadurch ist die Marktkirche von weitem nicht sichtbar, auch aufgrund der dichten, meist fünfgeschossigen Bebauung im Innenstadtbereich. Durch die zentrale, freistehende Lage auf dem ehemaligen Marktplatz mit großzügigem, umlaufendem Freiraum setzt sich das Sakralgebäude dennoch stark von der restlichen Umgebungsbebauung ab.

Gebäude | Bauform

Bei der Marktkirche handelt es sich um eine ehemals romanische Kirche aus dem 11. Jahrhundert, die durch spätere Umbauten auch gotische Stilelemente aufweist. Das heutige Kirchengebäude ist nur noch etwa halb so groß wie vor den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg, auch aufgrund des fehlenden Kirchturmes.

Die Marktkirche ist eine dreischiffige Hallenkirche, bei der die Seitenschiffe die gleiche Höhe wie das zentrale Mittelschiff aufweisen. Von außen ist die Kirche hell verputzt, Strebepfeiler aus Bruchsteinmauerwerk tragen die innere Struktur sichtbar nach außen. Prägend sind zudem die großen, gotischen Spitzbogenfenster. Der Zugang zur Marktkirche erfolgt durch ein 2011 neu gestaltetes Eingangsportal vom zentralen südlichen Vorplatz aus.

Auch im Inneren präsentiert sich das Sakralgebäude hell und aufgeräumt. Über dem Eingangsportal befindet sich eine offene Empore, das Mittelschiff ist flexibel bestuhlt. Der Hauptchor mit Altarbereich befindet sich im Osten. Der zweite Chorbereich im Westen wurde Anfang des Jahrtausends nach Plänen des Dortmunder Architekturbüros Gerber + Partner umgestaltet. Es wurde ein vollverglaster Kubus, bestehend aus 50 einzelnen, tiefblau eingefärbten Glasplatten, an das Gebäude angesetzt. Der Westchor gilt als herausragendes Beispiel moderner Glaskunst. Durch ihn wird der gesamte Kirchenraum in ein bläulich changierendes Licht getaucht.

Das offene nördliche Seitenschiff wird häufig für Kunstausstellungen genutzt, aktuell werden Fotografien von Wolfgang Kleber unter dem Titel „Mit Stolz und Anmut gegen Intoleranz und Unterdrückung“ gezeigt.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die Geschichte der heutigen Marktkirche geht zurück bis in das Hochmittelalter. Im 11. Jahrhundert wird erstmals eine Kapelle unter dem Namen St. Gertrudis an der Stelle der heutigen Marktkirche erwähnt. Diese diente über die Jahrhunderte neben den stattfindenden Gottesdiensten auch als Sitzungsort für den Stadtrat, zudem wurden dort Wahlen abgehalten.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde St. Gertrudis, damals im Volksmund bereits als Marktkirche bekannt, zum zentralen Schauplatz der Reformation in Essen. Erst wurde die Kirche durch die Bürgerschaft selbst besetzt, aber erst 20 Jahre später wurde dann schließlich die erste protestantische Messe gefeiert. Es folgten Sanierungs- und Umbaumaßnahmen, bis die Kirche im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe vollständig zerstört wurde. Der Wiederaufbau war städtebaulich umstritten, schließlich entschloss man sich dazu, einen kleinen Teil der Kirche in Form von zwei Jochen (Gewölbeabschnitten) wieder zu errichten. 2006 erfolgte der bereits erwähnte Anbau des Westchores.

Die Marktkirche gilt aufgrund ihrer Lage sowie der geschichtlichen Bedeutung bis heute als zentraleevangelische Kirche der Stadt Essen, in ihr befindet sich auch die zentrale Wiedereintrittsstelle.

Prozess | Beteiligte

Durch die besondere Lage der Marktkirche in der Innenstadt entwickelten sich bereits nach dem Wiederaufbau erste Ideen zur Nutzungserweiterung über die Funktion einer Gemeindekirche hinaus. 1993 bildete sich dort der Marktkirchenbauverein, der auch den deutschlandweiten Architektenwettbewerb für die Kirchenumgestaltung auslobte, den das Dortmunder Büro Gerber + Partner gewann. Parallel fanden bereits erste Kunstausstellungen und Musikveranstaltung für die Stadtgesellschaft statt.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Neben den regelmäßigen Ausstellungen und Musikveranstaltungen bilden die Gottesdienste noch immer das Zentrum der Marktkirche. Diese sind bewusst offen gestaltet, um die Marktkirche als Ort der Einkehr und Ruhe im hektischen Treiben der Innenstadt zu etablieren. Konsequent, aber ungewöhnlich für eine evangelische Kirche ist dabei auch, dass die Kirche tagsüber durchgehend für Besucher*innen geöffnet ist.

Besonderheiten | Erfahrungen

Der Marktkirche ist eine inhaltliche sowie bauliche Transformation hin zu einer offenen, aktiven Kirche in der Essener Innenstadt gelungen. Durch Kunstausstellungen, offene Gottesdienste und politische Botschaften ist sie ein wichtiger Ort des Austausches und der Begegnung geworden. Nicht zuletzt der Anbau des opulenten Westchores hat dazu einen großen Teil beigetragen. Die evangelische Kirche hat einen Raum geschaffen, an dem alle Menschen, ob gläubig oder nicht, aus der Hektik und dem Lärm der Innenstadt entfliehen und Momente der Ruhe und Einkehr erfahren können.

Weitere Informationen zum Projekt:

http://www.marktkirche-essen.de/index.php?nav=main&con=kontakt