Projekt

Segenskirche | Multifunktionales Gemeindezentrum mit Gottesdienststätte

Dortmund
Ort
Deutsche Straße 71, 44339 Dortmund
Ursprüngliche Nutzung
Gemeindekirche der Evangelischen Kirche von Westfalen
Neue Nutzung
Multifunktionales Gemeindezentrum mit Gottesdienststätte
Gebäude
1897-1899 erbaut, Architekt: Gustav Mucke (1861-1940), Wuppertal | 2007-2009 Umbau zum multifunktionalem Gemeindezentrum mit Gottesdienststätte, Architekten: Brüning Klapp Rein, Essen
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die Segenskirche befindet sich im Norden der Stadt Dortmund im Stadtteil Eving. Der Stadtteil ist noch immer stark von der Vergangenheit als wichtiges Zechengebiet geprägt. Im Jahr 1870 wurde hier die Zeche Minister Stein eröffnet, in der bis ins Jahr 1987 Steinkohle gefördert wurde. Erst durch die Ansiedlung der Zeche entstanden im direkten Umfeld Siedlungsstrukturen, die den bis zu 5000 Mitarbeitenden und ihren Familien als Wohnraum dienten. Viele der historischen Häuser aus den Zechenkolonien sind bis heute erhalten geblieben.

Die städtebauliche Anordnung von Dortmund-Ewing ist von diesen Siedlungsstrukturen geprägt. Der Stadtteil wird fast ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt, überwiegend in Form von Mehrfamilienhäusern in geclusterten Zeilenstrukturen. Im Süden grenzt der Stadtteil an den Nordfriedhof, Dortmunds größten städtischen Friedhof.

Der Ewinger Platz markiert den zentralen Punkt des Viertels, hier befinden sich Einkaufsmöglichkeiten sowie zentrale Anbindungsstellen des öffentlichen Nahverkehrs. Im weiteren Verlauf der Deutschen Straße, die direkt an den Ewinger Platz anschließt, befindet sich die evangelische Segenskirche unmittelbar an einer prominenten Straßenkreuzung. Durch den massiven Kirchturm und die herausgehobene Lage ist sie im Stadtbild deutlich präsent. Westlich gegenüber befindet sich eine Schrebergartenanlage, im Süden grenzt sie an den Nordfriedhof. Richtung Norden und Osten beginnt die charakteristische Wohnbebauung. Das neben der Kirche befindliche ehemalige Gemeindezentrum wurde abgerissen und durch ein neu gebautes Pflegeheim ersetzt.

Gebäude | Bauform

Nach zweijähriger Bauphase wurde die evangelische Segenskirche im Jahr 1899 eingeweiht. Die Konzeption des Gebäudes vom lokal bekannten Kirchbaumeister Gustav Mucke erfolgte im Stil der damals im Kirchenbau vorherrschenden Neogotik. Dies ist unter anderem an den Spitzbogenfenstern sowie der Ausführung der inneren Gewölbe klar ablesbar.

Die Grundstruktur des Gebäudes hebt sich jedoch von vielen anderen Kirchen, die zu dieser Zeit entstanden, ab. Es handelt sich um einen quadratischen Zentralbau mit umseitig angebauten Konchen. Diese Struktur orientiert sich am sogenannten Wiesbadener Programm, einer Art Manifest, das unter anderem die Abkehr von der klassischen Kirchenkonzeption mit Lang- und Querhaus hin zu einem Zentralbau forderte. Bei der Segenskirche wird der quadratische Zentralbau durch vier massive Backsteinpfeiler abgesteckt. Nach Norden und Süden sind Konchen mit 5/8 Grundriss angesetzt, die jeweils über eine Empore verfügen. Im Osten wurde der Altarbereich samt Orgelempore und Sakristei verortet, im Westen schließt das Foyer mit Kirchturm und beidseitigem Treppenaufgang an den Zentralraum an. Alle vier Emporen vereinigen sich und bilden eine zweite Ebene im Kircheninneren aus. Der quadratische Zentralraum erstreckt sich über die gesamte Höhe des Innenraumes. Über ihm entfaltet sich das sternförmige Rippengewölbe, das durch hölzerne Gurtbögen eingerahmt wird.

Die Außenfassade besteht aus rötlichem Ziegelmauerwerk, das auf einem hellen Natursteinsockel aufsitzt. Auch weitere Details wie die verschiedenen Gesimse, Sohlbänke oder Fenstereinrahmungenheben sich durch das Natursteinmaterial von der restlichen Fassadenfläche ab. Der Kirchturm mit dem dreigliedrigen Eingangsportal steht ebenfalls auf quadratischem Grundriss. Der spitz zulaufende Turmhelm wird von vier kleinen Eckhelmen eingerahmt und geht in Richtung Turmspitze in eine orthogonale Struktur über. Die Struktur der Fenster lässt die beiden Geschosse von außen ablesbar erscheinen. Große Maßwerkfenster mit Spitzbögen im Bereich der Emporen stehen kleineren Fenstern im Erdgeschoss gegenüber.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die Erbauung der Segenskirche fällt in einen Zeitraum sehr starken Bevölkerungswachstums im Zuge der Industrialisierung und der Ansiedlung der Zeche Minister Stein. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzehnfachte sich dadurch die Anzahl an evangelischen Gemeindemitgliedern im Dortmunder Norden. Im Jahr 1895 wurde schließlich die eigenständige evangelische Gemeinde Dortmund-Eving gegründet und bereits 1897 wurde mit dem Bau der Segenskirche begonnen.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der Innenraum mehrfach umgestaltet, zuerst 1928. Im Zuge der Moderne wurden viele neogotische Stilelemente, vor allem an Altar und Kanzel entfernt und durch schlichte Gestaltungselemente ersetzt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude dann in Teilen zerstört, unter anderem sind viele Fenster und das Dach beschädigt worden. Die Schäden konnten aber wieder ausgebessert werden, sodass die Kirche bereits ab 1949 wieder für Gottesdienste genutzt wurde. In den 1960er Jahren fanden verschiedene Umbauten im Kircheninneren statt, die den Raum insgesamt schlichter und heller wirken ließen.

Anfang des neuen Jahrtausends verkleinerte sich die lokale Gemeinde immer weiter und auch die Zahl an Gottesdienstbesucher*innen verringerte sich. Die Segensgemeinde entschied sich daher dazu, das Kirchengebäude flexibler zu nutzen. Das Gemeindebüro sollte in die Kirche verlegt werden, anstelle des ehemaligen Gemeindezentrums sollte eine soziale Einrichtung erbautwerden. In der Segenskirche sollten aber weiterhin Gottesdienste in verschiedenen Größenordnungen stattfinden können. Mit dieser Grundkonzeption wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt, den das Büro Brüning Rein mit ihrem Entwurf für sich entscheiden konnten. Der Umbau fand schließlich 2009 statt, seitdem dient die Segenskirche, in der noch immer regelmäßig Gottesdienste stattfinden, als Gemeindezentrum.

Prozess | Beteiligte

s.o.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Für die Nutzung als multifunktionelles Gemeindezentrum wurde der Altarbereich in den Zentralraum integriert. Die beiden nördlichen und südlichen Konchen sind nun mittels einer flexiblen Trennwand zum Zentralraum zuschaltbar. So kann der Raum auf Veranstaltungen unterschiedlicher Größe angepasst werden, kleinere Sonntagsgottesdienste sind ebenso möglich wie größere Festgottesdienste oder Musikveranstaltungen. Gleichzeitig können die Bereiche in den Konchen auch separat für kleinere Gemeindeveranstaltungen oder Seminare genutzt werden. Die Anbauten an West- und Ostseite wurden durch akustisch wirksame Wandverkleidungen vom Zentralraum abgetrennt. Deren changierende, orange-rötliche Farbigkeit geht in die umlaufenden Emporen über und erzeugt einen kraftvollen neuen Raum, der in Kontrast zu der umgebenden historischen Bestandsarchitektur steht. Durch die Offenheit nach oben und die farbliche Gestaltung entsteht trotz des starken eigenen Charakters eine Verbindung zur historischen Bestandsarchitektur, der Gesamtraum wirkt nicht geteilt.

Im ehemaligen Altarbereich befinden sich nun die Sakristei sowie eine große Gemeinschaftsküche. Auf der Empore wurde der Bereich durch eine Glaswand vom zentralen Multifunktionsraum abgetrennt, hier hat das Gemeindebüro seinen Platz gefunden.

Auch das Eingangsportal wurde im Zuge des Umbaus neugestaltet. Dafür wurde unter anderem vom Künstler Thomas Kessler ein abstraktes Glasgemälde integriert.

Besonderheiten | Erfahrungen

Die Nutzungserweiterung der Dortmunder Segenskirche stellt eines der ersten Umbauprojekte in Nordrhein-Westfalen dar, bei denen das Gemeindezentrum in das Kirchengebäude integriert wurde. Gleichzeitig bleibt die liturgische Nutzung erhalten und ist durch das neue Raumkonzept in der Größe flexibel anpassbar. Dieses zukunftsweisende Projekt zeigt auf, wie Sparzwänge in Gemeinden zu innovativen Nutzungs- und Raumkonzepten führen können.

 

Felix Hemmers

Quellenangaben:

Püschel, Hans-Werner: Unsere Evinger Kirche als architektonische Landmarke, Dortmund 2011

Weitere Informationen zum Projekt:

http://www.architekten-br.de/pages/projekte6/EKD1.html