Projekt

St. Barbara | im Prozess

Neuss
Ort
Blücherstraße 20, 41460 Neuss
Gebäude
1932 erbaut, Architekt: Hermann Schagen (1899–1935); Fresken: Peter Hecker (1884-1971); Sgraffito: Adolf Laufenberg (1853-1896) | 1957 Bau des Turmes, Architekt: W. Dickmann | 2019-2022 Teilnahme am prozessbegleitenden Unterstützungsangebot „Zukunftskonzept Kirchenräume“
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Trägerschaft

Katholische Kirchengemeinde St. Marien im Kirchengemeindeverband Neuss-Mitte

Zuständige Prozessbegleitung

HJPplaner – Heinz Jahnen Pflüger | Stadtplaner und Architekten Partnerschaft, Aachen

Amtsbereich

Erzbistum Köln

Ortslage | Städtebauliche Situation

Stadt Neuss; Stadtteil Barbaraviertel: ~ 3.000 Einwohner

Lage im Zentrum des Stadtteils auf zweiseitig erschlossenem Grundstück.

Das Gebäude steht mit monumentaler Fassade, Freitreppe und Vorplatz an der Kreuzung zweier Straßen in der Mitte des Wohnbereichs im Stadtteil. Dieser befindet sich durch Hafen-, Industrie- und Infrastrukturnutzungen in einer isolierten Lage im Stadtgebiet von Neuss. Der später hinzugefügte, neungeschossige Turm befindet sich an der der Eingangsfassade gegenüberliegenden Gebäudeseite und wirkt als Landmarke für den Stadtteil, als „Identifikationspunkt für das Viertel.“

„Das Barbaraviertel [ist] (…) ein Stadtteil mit besonderen sozialen Problemen (…). Das (…) Viertel besteht überwiegend aus Mehrfamilienhäusern und Sozialwohnungen, direkt angrenzend (…) Gewerbe und Industrie. Es gibt kein Stadtteilzentrum, sondern lediglich Kitas, eine Grundschule, eine kleine Sozialstation der Caritas und ein Jugendzentrum (OT).“

Gebäudehistorie | Bauform

Die Kirche St. Barbara im Neusser Barbaraviertel ist 1932/33 von Hermann Schagen errichtet worden. Sie ist die einzige Neusser Kirche dieser Zeit. 1957 erfolgte der Turmbau durch W. Dickmann. Die Fresken gestaltete Peter Hecker, das markante Portal-Sgraffito ist von Adolf Laufenberg. Die dreischiffige Basilika mit deutlich erhöhtem Mittelschiff und mit an das Langhaus stoßendem Querhaus bildet den Abschluss einer Reihenbebauung. Die Kirche bietet Platz für 200 Personen und misst in etwa 560 Quadratmeter. Denkmalschutz besteht zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus, dem ehemaligen Pfarrhaus.

Bedeutung | Umfeld | Motivation

„Mit Blick auf die Katholikenzahl gibt es für ein erneutes Gemeindeleben keine Perspektive. (…) Es besteht kein Bedarf mehr an einer großen Kirche, die der Feier der Liturgie und dem Leben der Gemeinde dient. Aber: Die Kirche als Institution ist sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst und will den Stadtteil nicht verlassen. Es gibt einen großen Bedarf an sozialem Engagement – eine Aufgabe, der sich die Kirche gerne stellt.“

„Die Kirche (…) soll als Gebäude erhalten bleiben. (…) Das große Kirchenschiff soll so umgestaltet werden, dass sich neue Nutzungsmöglichkeiten für ein Jugendzentrum ergeben. (…) Konkret denkbare Nutzungen sind: Saal (mit Bühne) für Veranstaltungen, Gruppenräume für die offene Jugendarbeit, Kletterturm, Band-Probenräume, Büros für Sozialberatung und Dependancen für Fachberatungsstellen (…). (…) Ziel ist ein partizipativ entwickeltes multiprofessionelles Zentrum der Gemeinwesenarbeit, das auf die verschiedenen sozialen Bedürfnisse im Stadtteil eingeht.“

Ausgangslage

Die Eigentümerin strebt eine Nutzungsänderung bzw. -erweiterung mit Öffnung zum Quartier an. Erste Ideen sind ein Jugendzentrum und soziale Angebote – Ein „multiprofessionelles Zentrum der Gemeinwesenarbeit“. Dafür sollen die Räumlichkeiten für Veranstaltungen, offene Jugendarbeit, Kletterturm, Probenräume und Büros für Sozialberatung usw. umgebaut werden. Eine gottesdienstliche Nutzung wird nicht mehr benötigt, ist jedoch wünschenswert. „Zur Planung der Umnutzung wurde eine Projektgruppe mit Kirchengemeinde (Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat), Kath. Jugendagentur Düsseldorf gGmbH (Träger der offenen Tür) und Stadt Neuss (Stadtrat, Jugendhilfeausschuss) gebildet.“

(Alle Zitate stammen aus den eingereichten Bewerbungsunterlagen zum Projektaufruf „Zukunftskonzept Kirchenräume“)

Beurteilungen zur Teilnahme an Zukunftskonzept Kirchenräume Teil I und Juryempfehlung

Düsseldorf, 21. August 2019

„Die architektonische und historische Bedeutung in Verbindung mit dem gegebenen, großen Potential für eine mögliche Konzeptfindung, hat die Jury in der Bewerbung wahrnehmen können. Dies führte zur Auswahl der St. Barbara-Kirche in Neuss. Deren Bedeutung als städtebaulicher Identifikationspunkt des soziokulturell problematischen Stadtviertels kann das angestrebte `partizipativ entwickelte multiprofessionelle Zentrum der Gemeinwesenarbeit´, das neue Bedarfe generiert, gut unterstützen. Die Jury ist der Meinung, dass dieses Vorhaben wahrgenommener sozialer Verantwortung Unterstützung verdient und darüber hinaus einer qualifizierten architektonischen Beratung und Begleitung bedarf.“

(Michael Scholz, Referent für kirchliches Bauen, Kunst + Denkmalpflege, Bischöfliches Generalvikariat Aachen)

Beurteilungen zur Teilnahme an Zukunftskonzept Kirchenräume Teil II und Juryempfehlung

Gelsenkirchen, 05. Februar 2021

„Die Projekte St. Barbara in Neuss und Lukaskirche in Köln haben sich in ihrer Herangehensweise und ihren Strukturen vorbildlich weiterentwickelt. Die Projektentwicklung ist bereits weit vorangeschritten. Die Konzepte besitzen das Potenzial Impulse zu erzeugen, die über den Umgang mit den Kirchengebäuden hinaus bis in die Quartiere strahlen können. Trotz der bereits erreichten Selbstständigkeit im Prozess möchte die Jury die Prozessarbeit beider Projekte auch weiterhin begleiten und sieht eine Unterstützung zu gleichen Teilen vor. Somit soll die positive Entwicklung beider Projekte hervorgehoben werden. Beide Projekte besitzen die Kraft einen sehr positiven Einfluss auf ihr umgebendes Quartier auszustrahlen.“

Positiv bewertet wurden im Besonderen:

Die Projektinterne offene Kommunikation bindet alle Akteure ein und wirkt sich konstruktiv auf den Fortgang des Entwicklungsprozesses aus. Das Konzept verspricht in seinem Ansatz eine besondere Funktionsmischung für neue Nutzungen. Der Ideenkanon bietet viele Qualitäten für das direkte städtebauliche Umfeld in Neuss.

Fazit: „Erwähnenswert ist die offene Formulierung von Lob und Kritik innerhalb der Projektgruppe, die auf eine sehr gute Zusammenarbeit und einen offenen Austausch hindeuten. Der Prozessablauf scheint von Beginn an einer logischen Struktur zu folgen und hat dementsprechend konkrete Ergebnisse erzielt. Alle Beteiligten arbeiten selbstständig und motivieren sich gegenseitig.“

(vorgestellt von Ilka Dietrich-Kintzel, kaufm. Geschäftsführung, und Peter Köddermann Geschäftsführung Programm, als Auslober-Vertretung)

Kommentar nach Abschluss des Unterstützungsprogramms

Gelsenkirchen, 31. März 2022

„Zur Realisierung eines entwickelten Konzepts bedarf es nicht nur einer qualitätvollen und nutzungsgerechten Gestaltung, sondern auch eines nachhaltigen Träger- und Betriebskonzepts. Gemachte Aussagen in Verbindlichkeiten und Verpflichtungen zu überführen, ist dabei ein wichtiger Schritt, den man durch Annäherung und Kompromissbereitschaft gemeinsam gehen muss. So können auch von mehreren Partner*innen getragene Nutzungskonzepte entwickelt werden.”

(Jörg Beste, synergon Köln und Esther U. Heckmann, Projektleitung Zukunft – Kirchen – Räume)

Relevante Themen innerhalb des Prozesses

  • Um die Entwicklung einer neuen Nutzungsidee möglichst partizipativ zu gestalten, stand zunächst eine umfangreiche Bestands- und Bedarfsermittlung an. Dazu wurden demografische, wirtschaftliche und soziale Daten des Viertels zusammengetragen sowie Bedarfe aus Sicht von Politik/Verwaltung und Schlüsselakteuren des Stadtteils gesammelt. Nach einer Ortsbegehung, dem Blick auf die Potenziale des Kirchbaus und inspiriert durch gelungene Beispiele anderer Gemeinden wurden dann zwei funktionale Entwürfe für eine Nachnutzung erstellt. Zwischenzeitlich wurden diese Ideen mithilfe einer Architekturstudentin aufgezeichnet. Im weiteren Verlauf wurden sie weiterentwickelt und auf ihre Machbarkeit geprüft.

Erfahrungen aus dem Prozess

  • Die Bestands- und Bedarfsermittlung hat ergeben, dass die allerersten Ideen aus der Bewerbungsphase richtig waren und weiterverfolgt werden sollen. Daran arbeitet die Projektgruppe, die größtenteils aus ehrenamtlich Engagierten besteht und in der viele, größtenteils fachfremde Professionen zusammenkommen, vertrauensvoll, mit hoher Motivation und hoher Konzentration und mit dem unbedingten Willen, gemeinsam ein gutes Ergebnis zu erreichen. Die Prozessbegleitung leistet bei der Strukturierung der Arbeit sehr wertvolle Dienste. (Stand: 2020)

(Projektgruppe, vertreten durch Thomas Kaumanns)