Projekt

St. Johannes | Tagespflege und Seniorenwohnungen in der “Lebenskirche”

Mönchengladbach
Ort
41239 Mönchengladbach, Urftstraße 218
Ursprüngliche Nutzung
katholische Pfarrkirche
Neue Nutzung
Tagespflege und Seniorenwohnungen
Gebäude
1962–1964 erbaut, Architekt: Gerhard Blume | 1964–2015 römisch-katholische Pfarrkirche | 2015 Profanierung | 2020-2022 Umbau zur "Lebenskirche" mit Tagespflege und Seniorenwohnen
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz

Ortslage | Städtebauliche Situation

Im Südwesten des Mönchengladbacher Stadtteils Rheydt befindet sich die ehemalige katholische Kirche St. Johannes. Sie grenzt an den Schmölderpark, der nach einem lokalen Textilunternehmer benannt ist und befindet sich ca. 15 Gehminuten vom Zentrum der bis in die 1970er Jahre eigenständigen Stadt Rheydt entfernt. Das Gebäude liegt in einem klassischen Wohngebiet. In Richtung Osten erstrecken sich vor allem Mehrfamilienhäuser, nach Westen wandelt sich die Struktur zu einer Einfamilienhaussiedlung. St. Johannes bildet mit dem angrenzenden Kindergarten, dem ehemaligen Pfarrheim, in dem sich heute Wohnungen befinden, und der gegenüberliegenden städtischen Gesamtschule den sozialen Kern des Quartiers. Westlich des Kirchengebäudes befindet sich das Elisabeth-Krankenhaus. Das ehemalige Kirchengebäude samt Nebengebäude sind umlaufend durch Park- bzw. Waldflächen von der Wohnbebauung abgegrenzt und liegen im Zentrum des größten Grüngebietes im Stadtraum.

Gebäude | Bauform | Historie

Das Kirchengebäude wurde von 1962 bis 1964 nach Plänen des Architekten Gerhard Blume errichtet. Dieser hatte zuvor als Mitarbeiter von Alfons Leitl bereits an mehreren lokalen Bauprojekten in der Nachkriegszeit mitgewirkt. Alfons Leitl war ein bekannter Architekt und Architekturjournalist und zeichnete für den Aufbauplan der im Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstörten Stadt Rheydt verantwortlich.

St. Johannes wurde als schlichte Stahlbetonkonstruktion konzipiert, die äußere Fassade wurde mit hellroten Ziegelsteinen verblendet. Sowohl außen als auch innen dominierte eine klare, geometrische Formensprache. Durch einen trapezförmigen Grundriss führten die Wände direkt auf den Altarbereich am Westende des Bauwerkes zu und überhöhten seine zentrale liturgische Bedeutung. Der Zugang zur Kirche erfolgte über einen öffentlichen Gemeindevorplatz an der östlichen Fassade. Dort befanden sich zwei Eingangsportale in Form von zurückspringenden Nischen, die über die komplette Gebäudehöhe verglast waren. Die Erschließung erfolgte, bedingt durch die Lage der Portale an den Seitenrändern der Fassade, nicht in der Hauptachse des Kirchenraumes. Dadurch wurde das räumliche Zuspitzen auf den zentralen Altarbereich weiter betont. Die Kirchenglocke befand sich in einer offenen Konstruktion neben der Kirche. Sie wurde 2015 nach der Entwidmung an eine Kirche in Polen zurückgegeben, in der sie ursprünglich hing.

Das Kircheninnere war als schlichter, hallenartiger Raum konzipiert, der durch den punktuellen Lichteinfall und die Stützen des flachen Daches geprägt war. Nördlich wurde ein flaches Seitenschiff angesetzt.

Nach knapp 50 Jahren der liturgischen Nutzung wurde St. Johannes im Oktober 2015 entwidmet. Vorausgegangen waren Schwierigkeiten bei der Finanzierung einer neuen Heizungsanlage, da das Bestandssystem aus den 1970er Jahren irreparablen Schaden genommen hatte. Zeitgleich gab es in der Pfarrei durch den Rückgang der Gemeindemitglieder Überlegungen, verschiedene Kirchenstandorte zusammenzulegen. Der hohe Sanierungsstau gab schließlich den Ausschlag für die Schließung von St. Johannes.

2020 beschloss der Caritasverband Mönchengladbach, das Kirchengebäude zu einem Seniorenzentrum umzubauen. In der Kirche sollten eine Tagespflege sowie altersgerechte Wohnungen Platz finden.

Nutzungskonzept

Die Umbauarbeiten fanden von 2020 bis 2022 statt und wurden vom lokalen Architekturbüro Grosch Rütters Architekten geplant und umgesetzt. Obwohl das Gebäude nicht denkmalgeschützt ist, wurde es nach Aussage der Architekten so behandelt, als würden denkmalrechtliche Vorgaben berücksichtigt. So sollte dem Bestandsgebäude mit Bedacht und Respekt begegnet werden.

Seit der Eröffnung im Sommer 2022 befinden sich in der ehemaligen Kirche St. Johannes insgesamt 23 altersgerechte Seniorenwohnungen in unterschiedlichen Größen: alle mit eigenem Balkon, barrierefreiem Zugang und der Möglichkeit einer pflegerischen Versorgung. Bei 14 Wohnungen handelt es sich um öffentlich geförderte Sozialwohnungen. Zudem betreibt der Caritasverband eine Tagespflege mit 15 Plätzen in den Räumen der ehemaligen Kirche. Die Senior*innen werden hier tagsüber betreut und mit selbst gekochten Mahlzeiten versorgt.

Im Inneren wurde das Gebäude für die Realisierung des Konzeptes komplett entkernt und eine neue Tragstruktur mit mehreren Ebenen eingesetzt. Die Wohnungen befinden sich allesamt auf den oberen vier Etagen, wofür eine komplett neue Erschließungstreppe samt Aufzugsanlage verbaut wurde. Auch wurden neue Oberlichter in das Dach integriert, um Teile der Flure mit hellem Tageslicht zu versorgen.

Ein Großteil der ehemals verklinkerten Fassade wurde mit einer Dämmung und einem hellen Putz überzogen. Lediglich die massive Fassadenwand zwischen den ehemaligen Eingangsportalen hat die ursprüngliche Materialität behalten. Auf das Dach wurde zudem ein zurückspringendes Sockelgeschoss aufgesetzt, das weitere Wohneinheiten ermöglicht. Außen wurden großzügige Balkone in Stahlbauweise errichtet, um jede Wohnung mit einer eigenen Außenfläche auszustatten.

Im Erdgeschoss befinden sich die Räume der Tagespflege sowie Gemeinschafts- und Waschräume für die Mieter*innen der Wohnungen. Hier finden regelmäßig von der Caritas organisierte Veranstaltungen statt, um die Gemeinschaft unter den Bewohner*innen zu fördern. Auch der Vorplatz, den sich das ehemalige Kirchengebäude mit dem Kindergarten und dem Gemeindecafé teilt, wird regelmäßig für Aktionen der Gemeinde genutzt. So soll eine Verbindung mit der Nachbarschaft sowie ein gemeinsamer Treffpunkt für die Begegnung zwischen Jung und Alt etabliert werden.

Die Elemente der ursprünglichen Sakralarchitektur wurden teilweise bewahrt und sind beispielsweise durch winkelhaft zulaufende Wandscheiben im Bereich der Tagespflege noch erahnbar. Durch das umfangreiche Raumprogramm ist der ursprüngliche, hallenartige Raumeindruck jedoch nicht mehr vorhanden. In Kombination mit dem funktionalen, hochwertigen Innenausbau trägt das Innere viel mehr den Charakter einer Neubauarchitektur. Lediglich der im Foyer im Bereich des ehemaligen Eingangsportals sichtbar belassene Grundstein erinnert noch an die ehemalige Nutzung als Gemeindekirche.

Besonderheiten | Erfahrungen

Die Umnutzung der St. Johannes Kirche in Mönchengladbach ist in mehreren Hinsichten ein spannendes Projekt. Zum einen wurde trotz fehlenden Denkmalschutzes auf einen Abriss verzichtet und stattdessen viel Wert auf die Erhaltung des Bauwerkes als baukulturelles sowie städtebauliches Symbol der Nachkriegsmoderne gelegt. Zum anderen wurde bei der architektonischen Umsetzung trotz der umfangreichen Nutzung und vieler Vorschriften darauf geachtet, zumindest Teile der Bestandsarchitektur zu erhalten und sichtbar zu belassen. Durch die Umnutzungist St. Johannes zur „Lebenskirche“ geworden, einem Ort des sozialen Miteinanders. Zusammen mit dem Kindergarten und dem Gemeindecafé bildet sie den gesellschaftlich-sozialen Quartierskern des umgebenden Wohngebietes.

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.caritas-mg.de/aktuelles/presse/tagespflege-und-wohnungen-fuer-senioren-caritas-eroeffnet-lebenskirche-st.-johannes-44b82de5-63b4-4c