Projekt

St. Joseph | Grabeskirche

Viersen
Ort
41747 Viersen, An der Josefskirche 15
Ursprüngliche Nutzung
katholische Pfarrkirche
Neue Nutzung
Grabeskirche (Urnenkolumbarium)
Gebäude
1889–1891 erbaut, Viersen | 1922 Brandschäden durch Blitzeinschlag | 1922 Brandschäden durch Blitzeinschlag | 1973 umfängliche Sanierung des Innenraumes | 2000 Das Sakralgebäude wird unter Denkmalschutz gestellt | 2009 St. Joseph wird nicht mehr für Gottesdienste genutzt, Gründung eines Fördervereins | 2011 Umbau des Innenraumes | 2012 Wiedereröffnung als Grabeskirche
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Am südlichen Ende der Viersener Innenstadt liegt die Kirche St. Joseph, eine ehemalige katholische Pfarrkirche, die seit 2012 als Urnengrabstätte genutzt wird. Städtebaulich befindet sich das Sakralgebäude genau am Übergang zwischen dem sich in Richtung Süden erstreckenden Gewerbegebiet und der im Norden beginnenden städtischen Fußgängerzone. Durch diesen Standpunkt hat sich St. Joseph zu einem, durch den hohen Kirchturm zudem weithin sichtbaren, Symbol für die Viersener Innenstadt entwickelt.

Um das Kirchengebäude herum befindet sich ein großzügiger, platzartiger Freiraum mit vielen öffentlichen Sitzmöglichkeiten, den die Anwohner*innen als Treffpunkt nutzen. Zudem unterstreicht der Abstand zur umgebenden Bebauung die herausgehobene Bedeutung des Bauwerkes. Nach Norden in Richtung Innenstadt verdichtet sich die Bebauung von frei stehenden Gewerbegebäuden hin zu engen Häuserzeilen in dreigeschossiger Bauweise. Im Erdgeschoss befinden sich dabei meist Gewerbetreibende oder Gastronomien, darüber Wohneinheiten.

Gebäude | Bauform

Die Kirche St. Joseph wurde nach Plänen des bekannten Kirchenarchitekten Josef Kleesattel, unter anderem verantwortlich für die bekannte St. Josefskirche in Koblenz, von 1889 bis 1891 erbaut. Der neugotische Baustil ist vor allem durch die vielen Spitzbögen sowie die vergleichsweise dünnen Pfeiler im Kircheninneren und die großflächigen, bunten Kirchenfenster ersichtlich.

Das sakrale Bauwerk ist als dreischiffige Basilika mit Lang- und Querschiff aufgebaut. Die Außenwände der Seitenschiffe werden durch Strebepfeiler strukturiert, die in Höhe des Mittelschiffes in dessen Stützensystem übergehen. Das Haupteingangsportal befindet sich im Kirchturm, der westlich an das Langhaus anschließt. Die Kirchturmspitze erreicht eine Höhe von rund 90 Metern, St. Joseph ist dadurch das mit Abstand höchste Bauwerk der Umgebung.

Das Kircheninnere wird von der außergewöhnlichen Raumhöhe des Mittelschiffes sowie dem durch die großen, farbenfrohen Kirchenfenster einfallenden Tageslicht geprägt. Die niedrigen Seitenschiffe lassen das Mittelschiff noch höher wirken, auch die filigranen Stützen, die in das Kreuzrippengewölbe der Decke übergehen, verstärken diesen Effekt. Gegenüber des Eingangsportals befindet sich im Osten der durch mehrere Stufen abgesetzte Chorbereich mit Hochaltar. In den ersten beiden Jochen befinden sich in den Seitenschiffen polygonale Kapellen mit eigenen Altären.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die Idee zum Bau der St. Joseph Kirche Ende des 19. Jahrhunderts entstand aus dem Versuch des Preußentums, den Katholizismus mittels verschiedener Verordnungen zurückzudrängen. Daraus entwickelte sich in den überwiegend katholisch geprägten Gebieten allerdings eine starke Gegenbewegung, in dessen Zuge viele Kirchenneubauten entstanden sind, zu denen auch St. Joseph zählt. Zudem gab es damals nur eine katholische Kirche in Viersen, weshalb die Wege für viele Bewohner*innen sehr weit waren.

Ab 1891 diente St. Joseph dann als Pfarrkirche der neu gegründeten Gemeinde. Den Zweiten Weltkrieg hat das Sakralgebäude fast ohne Schäden überstanden, sodass es nach Kriegsende wieder zu Gemeindegottesdiensten genutzt werden konnte. Ende des 20. Jahrhunderts wurden dann aufgrund rückläufiger Gemeindemitglieder sowie ebenfalls rückgängiger Einnahmen die beiden lokalen katholischen Gemeinden zusammengeführt. St. Joseph wurde ab 2009 schließlich nicht mehr liturgisch genutzt, zeitgleich gründete sich ein Förderverein, der den Kirchenvorstand bei der Suche einer geeigneten Nachnutzung für das prominente Kirchengebäude unterstützte.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

s.o.

Prozess | Beteiligte

Bereits kurz nach der Zusammenlegung der beiden Gemeinden wurde vom Kirchenvorstand die Umnutzung zu einer Urnengrabstätte beschlossen. Das Gebäude blieb damit in Obhut der Gemeinde und wurde nicht an eine*n externen Investor*in verpachtet oder verkauft. Für den Umbau des Kircheninneren mussten vorab dringend nötige Sanierungsarbeiten an der Bausubstanz durchgeführt werden. Danach wurde ab 2011 mit dem Umbau des Innenraumes begonnen. Nach Plänen des Aachener Architekten Prof. Hahn, der bereits den Umbau einer Kirche in Aachen zu einem Kolumbarium entworfen hatte, entstanden winkelförmige, steinerne Wände, in die Urnen in Steinboxen eingelassen werden können. Die Wandelemente nehmen Bezug auf die historische Architektur der Stützen und erzeugen durch die Winkelform Rückzugsorte zum Trauern und Gedenken. Durch die neue Materialität setzen sie sich gleichzeitig klar von der Bestandsarchitektur ab. Die Wände wurden nach den Heiligen, die in dem jeweils nächsten Kirchenfenster abgebildet sind, benannt. So soll die Orientierung für die Angehörigen erleichtert werden.

Vor dem abgesetzten Chorbereich im Scheitelpunkt von Lang- und Querhaus wurde im gleichen Stil ein neuer Altarbereich eingesetzt, der durch eine Betonplatte auf dem Boden klar erkennbar ist. Diese zieht sich hinter dem ebenfalls steinernen, puristischen Altar schützend hoch. Eine feine Fuge lässt das Kreuz als christliches Ursymbol erahnen. Hier finden nun vor allem Trauergottesdienste statt, samstags werden zudem wöchentliche Abendgottesdienste abgehalten.

Der historische, geschnitzte Kreuzgang wurde ebenfalls in das neue Raumkonzept integriert. Die einzelnen Holzelemente sind an neuen Betonplatten befestigt und werden durch historische Bögen eingerahmt.

Der Zugang zur Urnenkirche findet seit der Umgestaltung durch einen nördlichen Seiteneingang statt. In diesem Bereich befindet sich auch das Büro, das zu festen Öffnungszeiten dauerhaft von Freiwilligen besetzt ist.

Besonderheiten | Erfahrungen

Durch die herausragende städtebauliche Bedeutung sowie die tiefe Verwurzelung in der Viersener Innenstadt stand ein Abriss des Kirchengebäudes St. Joseph nach der Gemeindezusammenlegung nie im Raum. Stattdessen wurde mit der Nachnutzung als Urnengrabstätte eine dem Ort angemessene Funktion gefunden, die es der Gemeinde ermöglicht, in Besitz des Bauwerkes zu bleiben und zugleich dessen laufende Kosten zu tragen. Für die Gemeindemitglieder bietet das neue Konzept die Möglichkeit, das Gebäude weiterhin besuchen zu können, beispielsweise als Angehörige oder auch als Besucher*innen der immer noch stattfindenden wöchentlichen Gottesdienste.

 

Felix Hemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

https://grabeskirche.st-remigius.de