Projekt

St. Ursula | Ausstellungsort „Böhm Chapel“

Hürth
Ort
Hans-Böckler-Straße 170, 50354 Hürth
Ursprüngliche Nutzung
Katholische Pfarrkirche des Erzbistums Köln
Neue Nutzung
Galerie, Ausstellungsraum „Böhm Chapel“ der Jablonka Galerie
Gebäude
1954-1956 erbaut, Architekt: Gottfried Böhm | 1993 Das Gebäude wird unter Denkmalschutz gestellt | 2006 profaniert und verkauft | Weiterverkauf an Jablonka Galerie | 2010 eröffnet
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

St. Ursula befindet sich etwa drei Kilometer vom Zentrum der Stadt Hürth entfernt im Stadtteil Kalscheuren. Mit seinem eigenen Bahnhof ist Kalscheuren in nur wenigen Stationen vom Kölner Hauptbahnhof aus zu erreichen. Trotz dieser geografischen Nähe zur Metropolregion Köln ist die städtebauliche Struktur der näheren Umgebung von St. Ursula stark ländlich geprägt. Neben Wohnbebauung in Form von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Reihenhausbebauung befindet sich auch produzierendes Gewerbe in der direkten Umgebung.

Innerhalb dieser Mischnutzung stellt die Kirche St. Ursula einen städtebaulichen Fixpunkt dar, der sich baulich jedoch stark aus dem Stadtbild zurücknimmt. Umgeben von geschlossener Bebauung liegt das Sakralgebäude von der Straße zurückversetzt. Seine Präsenz ist lediglich durch den freistehenden Kirchturm erkennbar.

Gebäude | Bauform

Bei St. Ursula handelt es sich um ein sehr bedeutendes Kirchengebäude aus der Epoche der Nachkriegszeit nach einem Entwurf von Gottfried Böhm. Es ist eine der ersten zentralistischen Kirchen, die nicht entlang einer Achse geplant ist, sondern sich von einem zentralen Punkt in alle Richtungen gleichmäßig entwickelt. Dieses Prinzip, welches die Ergebnisse des zweiten vatikanischen Konzils gewissermaßen voraussah, äußert sich in einem kreisförmigen Grundriss, der durch sechs halbkreisförmige Konchen ergänzt wurde.

Über den Grundriss spannt sich ein kuppelartiges Dach, welches nicht auf den Außenwänden aufliegt, sondern von einem außerhalb liegenden Säulenkreis getragen wird. Dadurch entsteht ein dünnes, durchgehendes Lichtband zwischen Außenwand und Dach, wodurch dem Innenraum ein besonderer Charakter verliehen wird.

Zwischen den Konchen erstrecken sich zudem raumhohe Verglasungen, die durch Eisenstränge an Fischernetze erinnern und den Innenraum mit zusätzlichem Tageslicht versorgen. Die Decke wurde von Innen mit Schindeln aus Zedernholz belegt, welche die kreisförmige Deckenstruktur betonen und dem Raum eine gewisse Wärme verleihen. 1993 wurde das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Der Stadtteil Kalscheuren entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einer Bauernsiedlung hin zu einem Industriestandort, wodurch die Bevölkerung ein starkes Wachstum erfuhr. In den 1920er Jahren wurde daher zuerst eine Notkirche errichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg reichte diese Notkirche nicht mehr aus, zudem war sie beschädigt worden. Mit der Einrichtung einer eigenen Pfarrei für Kalscheuren wurde 1952 schließlich der Plan des Kirchenneubaus gefasst, welcher 1956 eingeweiht wurde. Bis zur Zusammenlegung der Gemeinde mit zwei anderen Pfarrgemeinden Anfang des neuen Jahrtausends wurde St. Ursula als Pfarrkirche genutzt.

Nach der Zusammenlegung wurde die Kirche 2006 profaniert und an eine Immobilienentwicklungsfirma veräußert. 2010 kaufte der bekannte Kunsthändler und Galerist Rafael Jablonka das Sakralgebäude, welches nach einem denkmalgerechten Umbau unter dem Namen ‚Böhm Chapel‘ als Ort für wechselnde Kunstaustellungen dient.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

s.o.

Prozess | Beteiligte

Noch vor der Profanierung bildete sich der ‚Kirch- und Denkmalschutzverein St. Ursula Kalscheuren‘, welcher St. Ursula für liturgische Zwecke erhalten wollte. Hier fand sich jedoch kein geeignetes Konzept, so dass das Bistum beschloss, die Kirche samt Grundstück an einen Investor zu veräußern.

Um die Kirche herum entstand ein Wohnviertel mit schlichten Reihenhäusern, die Kirche selbst wurde schließlich an Rafael Jablonka verkauft. Aufgrund der strengen Denkmalschutzauflagen eignete sich die Nutzung als Ausstellungsort sehr gut. Für den Umbau wurden lediglich die Erhöhung von Alter- und Taufbereich entfernt, so dass der gesamte Innenraum auf einer Ebene liegt. Der Architekt Gottfried Böhm begleitete den Umbau und gab auch seine Zustimmung zum neuen Namen ‚Böhm Chapel‘.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Seit der Umnutzung von St. Ursula finden dort wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst statt, welche am Wochenende für Besucher frei zugänglich sind. Bei den Ausstellungen handelt es sich um Werke namhafter Künstlerinnen und Künstler aus der gesamten Welt, unter anderem Julian Schnabel, Eric Fischl oder Norbert Tadeusz. Ab  Mai 2023 werden Arbeiten der Fotografin Candida Höfer gezeigt.

Besonderheiten | Erfahrungen

Mit der Umnutzung von St. Ursula wurde gezeigt, wie ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude mit minimalen baulichen Eingriffen einer sinnvollen und angemessenen neuen Nutzung zugeführt werden kann. Zwischen Kunst und Kirche gibt es seit jeher viele Verbindungen, die in der Nutzung als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst aufgegriffen werden. Die Kirche bleibt als Ort gesellschaftlichen und kulturellen Austausches erhalten, gleichzeitig bleibt auch das architektonische Denkmal ‚St. Ursula‘ zugänglich und dadurch lebendig.

Architektur: Gottfried Böhm

Autor: Felix Hemmers, studiohemmers

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.boehmchapel.com/