Themen — Einführung / Ausgangslage

Kirchengebäude in Nordrhein-Westfalen

Das dicht besiedelte Land Nordrhein-Westfalen verfügt über einen enormen Bestand an Kirchengebäuden mit hervorragenden Beispielen aus allen wichtigen Architekturepochen – von der Spätantike bis zur Moderne. Wichtige historische Kirchenbauten, beispielsweise der Kölner, Aachener, Münsteraner, Essener oder Paderborner Dom, die romanischen Kirchen Kölns oder das Kirchenensemble von Soest, bestimmen meist die Wahrnehmung der nordrhein-westfälischen Kirchen. Einer breiten Öffentlichkeit ist die Tatsache bisher weniger bekannt, dass aus dieser Region entscheidende inhaltliche Impulse und architektonisch wertvolle Beiträge für die Entwicklung des modernen Kirchenbaus geleistet wurden. Schon in der Zwischenkriegszeit waren hier mit Otto Bartning, Rudolf Schwarz und Dominikus Böhm drei der wichtigsten Erneuerer des Kirchenbaus tätig, die in den 1920er- und 1930er-Jahren mit der Auferstehungskirche in Essen (Bartning, 1929), mit der Fronleichnamskirche in Aachen (Schwarz, 1930) sowie mit St. Engelbert in Köln-Riehl (Böhm, 1932) Leitbauten des modernen Kirchenbaus in Europa errichteten.

In der Phase des Wiederaufbaus entstanden daran anknüpfend eine einzigartige Dichte und Qualität von Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne. Architekten, wie Karl Band, Gottfried Böhm, Denis Boniver, Toni Hermanns, Manfred Lehmbruck, Fritz Schaller, Hans Schilling, Emil Steffann und viele andere, waren in Nordrhein-Westfalen und von hier aus in der ganzen Bundesrepublik und darüber hinaus maßgeblich an der Entwicklung moderner Sakralarchitektur beteiligt. Gerade die Nachkriegskirchen, die in Nordrhein-Westfalen ca. 40 Prozent des Kirchenbestandes ausmachen, sind inzwischen unter starken Veränderungsdruck geraten: einerseits aufgrund ihrer hohen Anzahl und andererseits, weil sie häufig nicht die Wertschätzung erfahren, die Gebäuden älterer Bauepochen entgegengebracht wird. Deswegen und wegen eines oft schwierigen bautechnischen und bauphysikalischen Instandhaltungsaufwands befinden sie sich zudem häufiger in einem schlechten Erhaltungszustand.

Von den laut Landesdenkmalämtern ca. 6.000 Kirchengebäuden und Gemeindezentren mit Sakralfunktion in Nordrhein-Westfalen ist bisher mit 54 Prozent etwas über die Hälfte als Baudenkmäler eingetragen. Bis 2018 waren gerade einmal ca. 10 Prozent der Bauten des Nachkriegsbestands denkmalgeschützt. Eine denkmalpflegerische Absicherung dieser Kirchen ist somit vielerorts noch nicht erfolgt, obwohl eine Vielzahl von ihnen bereits ihre originäre Nutzung zu verlieren droht. Angesichts ihrer baulichen Qualität und historischen Bedeutung sowie der Unsicherheiten in manchen Umnutzungsplanungen ist diese Situation in Nordrhein-Westfalen besonders kritisch.

 

Jörg Beste, synergon Köln