Themen — Denkmalschutz und Denkmalpflege / Das Inventarisationsprojekt für den Kirchenbau nach 1945 in NRW

Bewertung – Ergebnisse – Erkenntnisse

Bewertung der Kirchenbauten

In den Jahren 2015 bis 2018 nahmen die Fachämter in Westfalen-Lippe und im Rheinland dann auf Grundlage dieses umfangreichen Datenmaterials mit eigenen Personalmitteln eine Bewertung der Kirchenbauten in mehreren Durchgängen vor. Dabei fand ein enger fachlicher Austausch zwischen beiden Fachämtern zum Abgleich des angelegten fachlichen Bewertungsmaßstabs statt.

Grundlegende Maßgabe für die Einschätzung zum Denkmalwert waren die im Denkmalschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen (DSchG NRW) festgelegten Bedeutungs- und Erhaltungsmerkmale, wobei sich die Fachämter auf eine sehr strenge Anwendung der Kriterien einigten. Das heißt, dass die (fast immer vorhandene) ortshistorische und städtebauliche Bedeutung allein als nicht ausreichend für die Einstufung eines Gebäudes als potentielles Denkmal betrachtet wurde. Bei ihrer Arbeit konnten die Projektmitglieder zudem auf Vorüberlegungen der Arbeitsgruppe „Inventarisation der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland“ zurückgreifen, die in dem 2009 herausgegebenen Arbeitsblatt 29 „Kirchenbauten nach 1945 – Bewertung ihrer Denkmaleigenschaft“ ihren Niederschlag gefunden haben. Weiteren wichtigen fachlichen Input lieferte der Austausch mit den jeweiligen Unteren Denkmalbehörden und den kirchlichen Partnern, den die beiden Fachämter auf verschiedene Weise pflegten.

Ergebnisse des Projekts

Mit Ende der Projektlaufzeit liegen nun für den größten Teil der rund 2.500 Pfarrkirchen in Nordrhein-Westfalen fachlich abgesicherte Einschätzungen zum Denkmalwert vor. In vielen Fällen haben die verfahrensführenden Unteren Denkmalbehörden bei den Kommunen bereits auf dieses Fachwissen im Rahmen von Eintragungsverfahren zurückgegriffen. So konnte unter konstruktiver Begleitung durch die kirchlichen Partner bereits eine Reihe von Eintragungsverfahren wichtiger Bauten abgeschlossen werden. Bei anderen Kirchenbauten, die nach fachlicher Beurteilung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes nicht denkmalwert sind, haben die Fachämter der Landschaftsverbände auch öffentlich gutachterlich gegen eine Eintragung in die kommunal geführten Denkmallisten Stellung bezogen und so die zugesagte Planungssicherheit für die Kirchengemeinden eingelöst.

Erkenntnisse

Durch den breiten Ansatz lieferte das Projekt nicht nur eine fachlich fundierte Auswahl von potenziell denkmalwerten Bauten. Vielmehr hat es auch einen großen wissenschaftlichen Beitrag geleistet, durch den die bestehenden Forschungsstände zum Kirchenbau nach 1945 weiter differenziert werden konnten.

Zu den wichtigsten Ergebnissen des Projektes zählt ein deutlich differenzierteres Gesamtbild des Kirchenbaus nach 1945, als es bisher vorlag. Hieraus ergab sich unter anderem die wichtige Erkenntnis, dass eine Beschreibung der Entwicklung des Sakralbaus nach 1945 anhand der viel beachteten Vorreiter einer modernen Kirchenarchitektur weite Bereiche des Kirchenbaus nicht entsprechend ihrer tatsächlichen historischen und architekturhistorischen Bedeutung angemessen würdigt. Neben dem für die explizit modernen Bauten charakteristischen fortschreitenden Bruch mit Typen und Formen historischer Kirchenbautradition nimmt die Suche nach einer behutsamen Verbindung traditioneller und moderner Formen im Kirchenbau nach 1945 einen mindestens ebenso großen Raum ein.

Der große Datenschatz aus der Erfassung der Kirchen lieferte nicht nur die Grundlage, um die Bedeutung und Vielfalt dieser deutlich von der Tradition bestimmten Architektur zu erschließen. Es ergab sich vielmehr erstmals auch ein regional detailliert aufgefächerter Überblick zum Beispiel über das sparsame und serielle kirchliche Bauen und über die vielfältigen örtlichen Ausprägungen von Leitbildern wie dem Zelt-Motiv („wanderndes Gottesvolk“) oder dem Burg-Gedanken („Ein feste Burg ist unser Gott“). Die Auswertung lieferte außerdem neue Erkenntnisse zu Aspekten wie dem Einsatz der Baukonstruktion als Mittel der Gestaltung oder dem Wandel der Materialästhetik. Nicht zuletzt konnte die große Vielfalt der stark am Profanbau orientierten und daher häufig gering geschätzten Gemeindezentren der 1970er Jahre gezeigt werden. Unter diesen Objekten befinden sich einige Bauten von hoher Qualität und großem Zeugniswert.

Diese Ergebnisse machen die beiden Denkmalfachämter der weiteren (Fach-) Öffentlichkeit in Form von Publikationen und Veranstaltungen zugänglich.

Weitere Informationen hierzu finden sich auf den jeweiligen Projektseiten:

 

LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Pulheim | LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Münster

Literatur:

LWL-DLBW, 2019
LVR-ADR, 2015
LVR-ADR, 2014
Landesinitiative StadtBauKultur NRW, LVR-ADR und LWL-DLBW, 2010