- Ort
- 48291 Telgte, An der Johanneskirche
- Ursprüngliche Nutzung
- Katholische Pfarrkirche der St. Johannes-Gemeinde, seit 2006 der Kirchengemeinde St. Marien; Bistum Münster
- Neue Nutzung
- Pfarrheim, Andachtskapelle, Kita-Erweiterung
- Gebäude
- 1962–1964 erbaut, Architekt: Ludwig Tiepelmann (1930–1977) bei der SAL Planungsgruppe, Münster | 1987-1988 durch Glockenstube ergänzt, Architekt: Peter Wörmann | 2011 Beschluss zu Profanierung und Abriss | 2012 vorläufige Unterschutzstellung, Feststellung des Denkmalwerts | 2013 Unterschutzstellung und Wettbewerb zur Neunutzung | 2017 Fertigstellung des Umbaus, Architekten: Feja + Kemper, Recklinghausen | 2018 Rheinisch-Westfälischer Staatspreis für Denkmalpflege
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht als Teil des Gemeindezentrums unter Denkmalschutz. Weitere denkmalgeschützte Elemente des Ensembles sind das Pfarrhaus, der Kindergarten und eine Bronzeskulptur.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die Johanneskirche liegt östlich der Telgter Innenstadt auf dem rechten Emsufer und ist Teil eines Gemeindezentrums mit Pfarrhaus, Kindergarten und später hinzugefügtem, mittlerweile abgebrochenem Gemeindehaus.
Gebäude | Bauform
Die Johanneskirche besteht als eine Art Zentralraum aus der Addition kreisförmiger Baukörper unterschiedlicher Höhen, von denen die vier größten kreuzförmig um eine mittige Vierung angeordnet sind. Weitere untergeordnete Konchen und Raumteile gruppierten sich symmetrisch um die liturgische Achse der Kirche. Die geschlossenen Wandsegmente sind außen mit Ziegeln bekleidet, Licht erhält die Kirche über Wandsegmente aus Glasbausteinen.
Hierdurch entsteht ein spannungsreicher Raum, der im Entwurf von Ludwig Tiepelmann als ehemaligem Mitarbeiter von Rudolf Schwarz eine Verwandtschaft mit dessen Bauten erkennen lässt (Bsp.: St. Michael in Frankfurt/Main).
Prozess | Beteiligte
Das Bistum Münster und die Kirchengemeinde fassten 2011 den Beschluss, die Johanneskirche zu profanieren und abzureißen. Dieses Vorhaben weckte allerdings großen Widerstand in Teilen der Kirchengemeinde, die sich mit einem lnitiativkreis „Rettet die Johanneskirche“ vehement für den Erhalt der Kirche einsetzten. Um den drohenden Abriss zu verhindern, wurde eine vorläufige Unterschutzstellung des Kirchengebäudes beantragt und das Denkmalpflegeamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe um die Überprüfung der Denkmaleigenschaft gebeten. Die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen (LWL-DLBW) stellte den Denkmalwert der Kirche und weiterer Teile des zugehörigen Gemeindezentrums fest, woraufhin das bereits profanierte Kirchengebäude 2012 vorläufig und 2013 endgültig unter Denkmalschutz gestellt wurde.
In dieser konfliktreichen Situation wurde entschieden, mit einem eingeladenen Wettbewerb zu überprüfen, ob sich in das Kirchengebäude Nutzungen des benachbarten und sanierungsbedürftigen Pfarrheims sowie erforderliche Erweiterungsflächen der ebenfalls benachbarten Kindertagesstätte denkmalgerecht einbauen ließen.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Der einstimmig bevorzugte Entwurf von Feja + Kemper Architekten nutzt die kleinteilige Gebäudestruktur aus verschiedenen addierten Raumteilen, um mit reversiblen Einbauten verschiedene Nutzungseinheiten in das Kirchengebäude einzupassen. Hier befinden sich nun im ehemaligen Chorraum eine Andachtskapelle, ein teilbarer Gemeindesaal, zwei Gruppenräume, ein größerer Mehrzweckraum, eine Teeküche sowie verschiedene Neben-, Technik- und Sanitärräume.
Durch den Einsatz von Glaselementen in den Wänden und Decken der Einbauten und die Beschränkung der eingebauten Elemente auf die Erdgeschossebene ist der ursprüngliche Raumeindruck des Kirchengebäudes weiterhin erfahrbar geblieben.
Besonderheiten | Erfahrungen
Die zunächst sehr konfliktreiche Interessenkollision – sowohl innerhalb der Kirchengemeinde als auch bei Beteiligten aus Kommune, Bistum und Denkmalpflege – konnte durch konstruktive Dialoge, eine zunehmend kooperative Zusammenarbeit und eine auf Qualität bedachte Umsetzung gelöst werden. Die entstandene Lösung und der Umgang mit der Umsetzung waren so überzeugend, dass das Gebäude mit seiner neuen Nutzung heute versöhnend aufdie Konfliktparteien wirkt. Es ist inzwischen mit seiner neuen Nutzung akzeptiert und stark gefragt.
Die bauliche Umsetzung und auch die damit einhergegangene Konfliktlösung überzeugten die Jury des Rheinisch-Westfälischen Staatspreises für Denkmalpflege, dieses Projekt mit dem Preis 2018 auszuzeichnen und der Kirchengemeinde ein Preisgeld von 7.000 Euro zuzuerkennen.
Jörg Beste, synergon Köln
Siehe auch:
Kirche+Leben Netz, Rheinisch-Westfälischer Staatspreis für Denkmalpflege
LWL, Denkmal des Monats Juni 2018
Weitere Informationen zum Projekt:
http://www.st-marien-telgte.de/index.php/bautagebuch-st-johannes.html