Projekt

Kapelle in Belle | Kapelle und Veranstaltungsort

Horn-Bad Meinberg
Ort
32805 Horn-Bad Meinberg, Pyrmonter Straße 141
Ursprüngliche Nutzung
Pfarrkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Wöbbel; Lippische Landeskirche
Neue Nutzung
Weiterhin sakrale Nutzung der Evangelischen Kirchengemeinde Wöbbel, ergänzt um Gruppen und Veranstaltungen, auch aus der Kommune
Gebäude
1741 erbaut | 1966 Renovierung der gesamten Kirche | 2011/2012 Einbau neuer Nutzungen, barrierefreier Zugang und Fassadensanierung, Architektin: Dr. Manuela Kramp, Lemgo
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Das Dorf Belle ist ein Ortsteil der Stadt Horn-Bad Meinberg im Kreis Lippe. Es ist ein locker gestreutes Dorf um die Pyrmonter Straße und einige Nebenstraßen mit ca. 1.200 Einwohnern in landwirtschaftlich genutzter Umgebung. Die Kapelle befindet sich im Dorfzentrum auf einem begrünten Grundstück unmittelbar an der Hauptstraße. Das Gebäude liegt von der Straßenfront zurückgesetzt auf einer niedrigen Anhöhe. Ein kleiner Dachreiterauf dem Satteldach überragt die umgebenden Gebäude und wirkt als Landmarke für den Ort. Im Umfeld stehen meist in schwarz-weißem Fachwerk gehaltene Bauernhöfe und Scheunengebäude an der Hauptstraße.

Gebäude | Bauform

Die kleine Kirche in Belle ist die einzige erhaltene Fachwerkkapelle im Weserbergland. Das Fachwerk ist mit ornamentalen Ausfachungen aus hellroten Ziegeln versehen. Das Kirchenschiff besteht aus einem rechteckigen Raum mit einer durchgehenden Decke aus sichtbaren dunklen Holzbalken und weiß gestrichenen Feldern. Der weiß verputzte und von vier Fenstern belichtete Raum bietet, einschließlich der nordwestlich über einem Zugang gelegenen Holzempore, Platz für 200 Personen. Ein rechteckiger Altarraum ist bei gleicher Deckenhöhe um eine Stufe erhöht und wird von zwei seitlichen Fenstern belichtet. Im Altarraum befindet sich eine aus dem Erbauungsjahr stammende, aufwendig gestaltete hölzerne Barockkanzel mit Schalldeckel.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

Die bauhistorisch wertvolle Kapelle ist neben Schule und Sporthalle die einzige dörfliche Gemeinschaftseinrichtung im Dorf Belle, dessen Versorgungseinrichtungen stark ausgedünnt sind. So hat sie eine wichtige Funktion als Identifikationsgebäude und Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Darüber hinaus hat sie als geschichtlicher Zeuge einer der ältesten Gemeinden Lippes ebenso eine große historische Bedeutung für den Kreis Lippe.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

Die Kirchengemeinde konnte sich auf Dauer den Unterhalt der Kapelle und eines Gemeindehauses an diesem Standort nicht mehr leisten, da sie für nur 1.800 Gemeindeglieder in zwei weiteren Dörfern noch vier weitere Gebäude unterhielt. Das Gemeindehaus in Belle wurde deshalb aufgegeben. Die Gemeinde konzentriert sich mit weiteren Nutzungen auf ihren Gottesdienstraum in der Kapelle. Dabei werden multifunktionale Nutzungen für kirchliche und bürgerschaftliche Zwecke mit der Bürgergemeinde vernetzt.

Prozess | Beteiligte

Die Prozessbearbeitung dieses Projektes wurde mit einem starken partizipatorischen Ansatz verbunden. Ziele einer Machbarkeitsstudie wurden zwischen der Kommune, der Kirchengemeinde und dem Landeskirchenamt abgestimmt. Das gemeinsame Vorgehen baute auf Erfahrungen bei der Erarbeitung eines integrierten ländlichen Entwicklungskonzeptes (ILEK) der Region Lippe-Süd auf. Das beauftragte Stadt- und Regionalentwicklungsbüro erarbeitete detaillierte Grundlagen zu Umfeld und Gebäude, mit denen die Kirchen- und die Bürgergemeinde eine Zukunftswerkstatt zur Zielfindung für den Ort Belle, das Gebäude und seine direkte Umgebung durchführten. Untersucht wurden dabei auch die Möglichkeiten des Kirchengebäudes im Hinblick auf weitere Bedarfe der Kommune. Auf dieser Basis sind verschiedene Aufgabenteilungen zwischen Kirchengemeinde und Kommune in deren jeweiligen Gebäuden verabredet worden. So wurde der Jugendtreff der Kirchengemeinde im Untergeschoss der kommunalen Grundschule untergebracht. Aus den Ergebnissen der Zukunftswerkstatt wurde ein Nutzungserweiterungskonzept für das Kirchengebäude erarbeitet.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Die eigentliche bauliche Maßnahme wurde von der Kirchengemeinde zur „kooperativen Baustelle“ erklärt und mit sehr viel Eigenarbeit von Bürgern und Arbeitsspenden von Handwerksbetrieben umgesetzt, sodass das veranschlagte Budget der Kirchengemeinde um mehr als 50 Prozent unterschritten werden konnte. Neben der finanziellen Realisierbarkeit erbrachte der gemeinsame Umsetzungsprozess auch eine deutliche Aktivierung der Gemeindemitglieder mit neuen Kontakten zur Bürgerschaft und einer hohen Identifikation mit der Maßnahme.

Eine Verschränkung von Nutzungen der Kirchen- und der Bürgergemeinde im Ort wurde durch multifunktionale und flexible Raumnutzungen erreicht. Der Kapellenraum wird nun – neben weiterhin sonntäglichen Gottesdiensten – an Wochentagen als Kulturtreffpunkt mit Angeboten für Gruppenarbeit und einem Café für die Dorfgemeinschaft als Nutzungserweiterung besser ausgelastet. Nach den positiven Erfahrungen in Belle begann auch im Gemeindeteil Wöbbel und der dortigen Kirche ein ähnlicher Prozess.

Besonderheiten | Erfahrungen

Das Dorf hat aufgrund enger werdender Spielräume der einzelnen Akteure zwar inzwischen ein Gemeindehaus weniger. Der Erarbeitungs- und Umsetzungsprozess hat aber eine Aktivierung des Dorflebens mit neuen und gut nutzbaren Gemeinschaftseinrichtungen erbracht. Bei der gemeinsamen Erarbeitung sind räumlich und organisatorisch Kontakte und Synergien zwischenden Institutionen entstanden. Diese machen auch weitere Aktivierungen möglich, wie die Übertragung auf weitere Gemeindeorte bereits zeigt. Dieses Projekt steht beispielhaft für die Möglichkeit, trotz knapperer Ressourcen mit offenen und breit angelegten Beteiligungsprozessen eine Neuorientierung mit positiven Ergebnissen zu erarbeiten. Durch die gemeinsame Umsetzung wurde der Zusammenhalt am und im Ort gestärkt und als Ergebnis sichtbar gemacht. Dieses in einem kleinen Ort erzielte Ergebnis sollte sich mit entsprechenden Anpassungen auch auf größere Gemeinden übertragen lassen.

Jörg Beste, synergon Köln

Siehe auch:

Lippische Landeskirche, Aktuelles

Baukunst NRW

Weitere Informationen zum Projekt:

http://hvbelle.de/die-reformierte-kapelle-in-belle/