- Ort
- 47608 Geldern, Issumer Tor 55/Boeckelter Weg
- Ursprüngliche Nutzung
- Filialkirche der Katholische Kirchengemeinde St. Maria Magdalena Geldern; Bistum Münster
- Neue Nutzung
- Seniorenwohneinrichtung „Adelheid-Haus“ des Caritasverbands Geldern-Kevelaer, Geldern
- Gebäude
- 1965 Wettbewerb | 1967/1968 erbaut, Architekten: Josef Ehren (1912–1996) und Robert Hermanns (–2005), Geldern; Glaskunstflächen: Joachim Klos (1931–2007) | 1988 Bau separater Turm | 2012 Teilabriss/Umbau/Ergänzung, Architekten: Pfeiffer Ellermann Preckel, Münster; Ingenieure: IBF Ingenieurbüro Technische Gebäudeausrüstung, Krefeld
- Denkmalschutz
- Das Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz.
Ortslage | Städtebauliche Situation
Die ehemalige Kirche liegt östlich des Stadtzentrums und nördlich der Ausfallstraße Richtung Issum an einer Straßenkreuzung. Westlich grenzt das Grundstück an den Wasserlauf der Fleuth. Auf den gegenüberliegenden Straßenseiten befindet sich südlich in einem Park das Rathaus der Stadt Geldern mit weiteren Verwaltungsbauten und östlich das Kreis-Straßenverkehrsamt. Im Umfeld finden sich Schulen und das Gesundheitsamt, nördlich schließen sich katholische Sozialeinrichtungen mit Kindergarten, Familienbildungsstätte und ein aufgelockertes Wohnviertel mit einem weiteren Park an.
Der vorher frei stehende, kompakte Solitärbau befand sich somit in städtebaulich exponierter Lage. Auf dem großen Grundstück von der Straße zurückgesetzt, bildete das Gebäude einen Vorplatz zur Durchgangsstraße und zum Rathauspark. Vom erhaltenen ehemaligen Südportal in einer großen Buntglaswand wies ein axial angelegter Weg auf das gegenüberliegende Rathaus.
Gebäude | Bauform
Gebäudeprägend waren das große, flach geneigte Satteldach und die offene Geste zur Stadt mit der eingerückten Südfassade als großem Glaskunstwerk. Der geschützte Vorbereich verband den Vorplatz mit dem Innenraum mittels eines nach innen durchgehenden Bodenmaterials. Das Innere wirkte als offener, vom dominanten, holzbekleideten Dach gebildeter Raum. Im Unterschied zum Ziegel der Außenfassaden bestand das Wandmaterial im Innenbereich aus teilweise skulptural gestaltetem Sichtbeton. Der von außen hereingeführte Boden und die frei stehenden, straßenlaternenartigen Leuchten betonten den starken Außenbezug der verglasten Südseite und damit einen öffentlichen Charakter des Gebäudes. Entscheidende Prägung erhielt der Raum durch die sehr präsente Glaskunst von Joachim Klos.
Historische Bedeutung | Soziales Umfeld
St. Adelheid wurde in den 1960er Jahren in unmittelbarer Nähe zum hier ebenfalls neu ausgebauten kommunalen Verwaltungszentrum platziert. Das Gebäude orientiert sich an dieser Situation mit seinem offenen Charakter und seiner städtebaulichen Stellung. Somit wurde hier Ende der 1960er Jahre im entsprechenden städtebaulichen Stil die urbane Einheit von Platz, Kirche und Rathaus neu interpretiert.
Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde
Als Filialkirche in Zeiten mit starken Kirchenbesucherzahlen geplant, wurde St. Adelheid als selbstbewusste und offene Repräsentation der katholischen Gemeinde errichtet. Hierdurch war das Gebäude in der Stadt auch nach der Schließung ständig präsent. Die schrumpfende Gemeinde konzentriert sich nun wieder auf die historische Pfarrkirche im Zentrum. Eine weitere Kirche in Geldern hatte die Gemeinde bereits zur Umnutzung für einen symbolischen Preis verkauft. Diese wurde in der Folge allerdings lange Zeit nicht umgenutzt und brachliegend in der Stadt präsent, immer noch mit der Kirchengemeinde in Verbindung gebracht. Um eine derartige Fehlentwicklung zu vermeiden, plante die Kirchengemeinde in diesem Fall den Abriss des Gebäudes, um das Grundstück von St. Adelheid mit kirchennahen Funktionen nachzunutzen.
Prozess | Beteiligte
Für das Grundstück der Kirche St. Adelheid erarbeitete der Caritasverband Geldern-Kevelaer mit dem Bistum Münster das Alternativkonzept „Adelheid-Haus“, das einen Abriss der Kirche und eine Nachnutzung mit betreutem Wohnen und einem pastoralen Zentrum sowie einer neuen Kapelle vorsah. In diesem Zusammenhang bat die Kommune das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland um eine Stellungnahme zur Schutzwürdigkeit: Das Gebäude wurde als denkmalwürdig eingestuft. Hiermit war in Geldern ein Konflikt um die Denkmaleigenschaft und den Erhalt der Kirche entstanden – zwischen der Kommune und dem Landesdenkmalamt auf der einen und der Kirchengemeinde, dem Caritasverband und dem Bistum in Münster auf der anderen Seite sowie der Obersten Denkmalbehörde im Ministerium in Düsseldorf –, der sich weit über die Stadt hinaus auszuwirken drohte. Die konfliktreiche Auseinandersetzung ließ zunächst vermuten, dass eine Umnutzung für das Gebäude auf absehbare Zeit nicht erarbeitet werden könnte.
Ein Moderationsgespräch mit den verschiedenen Interessenparteien vor Ort ergab dann allerdings, dass alle Parteien die Eintragung als Denkmal akzeptierten und einer weiteren konsensualen Lösungssuche im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zustimmten. Eine Projektgruppe wurde gebildet, in der alle beteiligten Parteien aus Kirchengemeinde, Bistum, Caritas und Kommune vertreten waren. Ein unabhängiges Planungsbüro erhielt – unter externer Moderation – den Auftrag, die Machbarkeitsstudie zu erarbeiten. Ziel war es, die Umsetzung des pastoralen Konzeptes der Kirchengemeinde und des Seniorenwohnprojektes der Caritas zu ermöglichen und dabei wesentliche Gebäudeteile der Kirche zu erhalten. Eine konsensfähige Planung wurde auf ihre Finanzierbarkeit untersucht und denkmalbedingte Mehrkosten wurden beziffert, für die eine Förderung ermöglicht wurde.
Nutzungskonzept | Neunutzung
Der gefundene Kompromiss sah zwei die ehemalige Kirche flankierende Bauten für das soziale Wohn- und Betreuungskonzept vor. Dabei wurden die Nebenräume in den ehemaligen Seitenbereichen der Kirche in die neuen Gebäude mit einbezogen und ein Teil des Daches entfernt. Aus Teilen des ehemaligen Kirchenraums wird somit ein umbauter Innenhof für die neue Anlage, der im Norden durch den nun als St. Adelheid-Kapelle bezeichneten, geschlossenen ehemaligen Altarbereich begrenzt wird. Die originale, straßenlaternenartige Beleuchtungdes Kirchenraumes und das Taufbecken blieben im Innenhof ebenfalls erhalten. Als südlicher Abschluss wurde die große gestaltete Glasfront zur Stadt mit einem Teil des ursprünglichen Daches für ein Café umgenutzt. Die liturgische Ausstattung behält ihre Nutzung in der jetzigen Kapelle und weitere Gestaltungselemente der ehemaligen Kirche wurden in die Neubauten mit einbezogen.
Besonderheiten | Erfahrungen
Die Einigung auf die Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie machte die Wendung der konfliktreichen Ausgangslage möglich. Dadurch konnten alle Projektbeteiligten in einen gemeinsamen Ideenfindungsprozess eingebunden werden. Im schwierigen Projektprozess in Geldern zeigt sich somit die positive Wirkung einer Zusammenarbeit von Kirchengemeinden und Kommunen mit externem Moderations- und Planungs-Know-how.
Die harten Eingriffe und eine weitgehende Umgestaltung des Denkmals mit deutlichen Substanzverlusten forderten vor allem der Denkmalpflege eine sehr große Kompromissbereitschaft ab. Die neue Nutzung des Kirchenraumes als Freiraum einer kirchlich-sozialen Nutzung lässt sich in diesem Fall allerdings mit der offenen Haltung des Ursprungsbaus in Verbindung bringen. Baukulturelles Fazit: Gegenüber dem drohenden Totalverlust des Gebäudes und einer zuvor sehr schlichten Planung für ein neues „Adelheidhaus“ ist nun ein qualitätvolleres Gebäudeensemble durch die Integration von identitätsstiftenden Gebäudeteilen der Kirche entstanden. Insbesondere konnte auch das städtebauliche Grundkonzept erhalten werden.
Die kirchlichen und sozialenAnforderungen an die Umnutzung wurden in Geldern hervorragend erfüllt. Statt einer nur einmal wöchentlich genutzten Filialkirche ergänzen sich nun die sozialen Einrichtungen von Kirchengemeinde und Caritas mit Kindertagesstätte, Familienbildungsstätte, Wohnungen, Café und Pflegeeinrichtung. In der Kapelle wird wieder wöchentlich Gottesdienst gefeiert und das soziale Gemeindeleben am Standort ist deutlich gestärkt.
Jörg Beste, synergon Köln