Projekt

St. Sebastian | Kindertagesstätte

Münster
Ort
48153 Münster, Scheibenstraße 36
Ursprüngliche Nutzung
Katholische Pfarrkirche St. Sebastian des Bistums Münster
Neue Nutzung
Kindertagesstätte mit Innenspielplatz
Gebäude
1962 erbaut, Architekt: Heinz Esser, Münster | 2008 profaniert | 2012/2013 Umbau zur Kindertagesstätte, Architekten: Bolles + Wilson, Münster; Ingenieure: ahw Ingenieure GmbH, Münster
Denkmalschutz
Das Kirchengebäude steht nicht unter Denkmalschutz.

Ortslage | Städtebauliche Situation

Die ehemalige Kirche St. Sebastian liegt südlich der Innenstadt von Münster im Stadtteil Mitte-Süd als Solitärbau auf einem zweiseitig erschlossenen Grundstück zwischen Hammer Straße und Sebastianstraße. DasUmfeld ist nach Süden und Osten von großformatigeren Wohn- und Gewerbenutzungen, nach Norden und Westen zum größten Teil durch kleinteilige Wohnnutzungen geprägt. Das hohe und prägnant geformte Gebäude ist, an einer Grünanlage zur Ausfallstraße hin gelegen, stadtteilprägend präsent.

Gebäude | Bauform

Das backsteinsichtige Gebäude stellt eine weitgehend geschlossene Ellipse dar, über deren gesamte Fassade kleine, quadratische Fenster in einem gleichmäßigen Raster verteilt sind. Das eingehängte Flachdach steigt von der Mitte zu den Endpunkten der Ellipse leicht an. Vom Originalbau stammt auch noch ein fast gebäudehoher dreieckiger Fenstereinschnitt in der Südfassade, der den ursprünglichen Altarbereich seitlich belichtete.

Historische Bedeutung | Soziales Umfeld

k. A.

Kirchliche Nutzung | Einbindung in die Bürgergemeinde

k. A.

Prozess | Beteiligte

k. A.

Nutzungskonzept | Neunutzung

Die Katholische Kirchengemeinde suchte 2009 mit einem Investoren- und Gestaltungswettbewerb einen Nachnutzer für ihr Grundstück. Der Erhalt der Kirche war hierbei möglich, aber nicht vorgeschrieben. Durchsetzen konnte sich das Konzept des Münsteraner Architekturbüros Bolles + Wilson, das den Erhalt des Kirchengebäudes, das als baukulturell wertvoll und für den Stadtteil identitätsstiftend angesehen wurde, mit einer Nutzung als Kindertagesstätte vorsah. Mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft Wohn+Stadtbau konnte ein Umsetzer gefunden werden, der bereit war, für diesen sozialen und baukulturellen Mehrwert höhere Umbaukosten gegenüber einem preisgünstiger kalkulierten Abriss und Neubau zu investieren, da die hierzu auf dem umliegenden Gelände errichteten Wohngebäude diese Mehrkosten mitfinanzieren konnten.

Das Nutzungskonzept wurde mit dem eineinhalbgeschossigen Einbau einer fünfgruppigen Kindertagesstätte in das Kirchengebäude realisiert. Im großen Luftraum der Kirche unter dem mit Oberlichtern erneuerten Dach befinden sich nun freie Spielflächen für die Kinder auf dem Erdgeschoss und dem Obergeschoss der Einbauten. Diese wettergeschützte, aber ungeheizte Innenraumspielfläche gilt baurechtlich nun als Außenraum. An einigen Stellen durchdringen neue kubische Bauteile die alte Fassade, um die neue Nutzung zu belichten und Außenraumbezüge zu schaffen sowie mit einem neben das Gebäude gestellten Ergänzungsbau zu verbinden.

Besonderheiten | Erfahrungen

Von der ehemaligen Kirchennutzung ist im Innenraum nichts erhalten geblieben. Auch die ursprüngliche Raumwirkung und Lichtführung ist nur noch zum Teil erfahrbar. Allerdings ist durch die selbst auferlegte Auseinandersetzung mit dem Ursprungsbau und die ambitionierte gestalterische Umsetzung nun ein sehr interessantes und spannungsvolles neues Gebäudeensemble entstanden. Bemerkenswert ist, dass hierbei der baukulturelle Wert des Gebäudes und seine stadträumliche Identifikationswirkung mit einer höheren Investition gewürdigt wurden. Ähnlich dem Kölner Beispiel war auch in Münster eine städtische Wohnungsgesellschaft bereit und in der Lage, diesen Mehrwert zu erkennen und in ihre Maßnahme einzubeziehen. Da das Gebäude überraschenderweise nicht unter Denkmalschutz stand, ist die Würdigung eines wertvollen Bestandes aus baukultureller Sicht besonders hervorzuheben. Ohne Denkmalschutz konnten Architekten und Bauherrn selbst definieren, was erhalten und wie ergänzt wird. Der robuste Umgang mit der Originalsubstanz und dem Raumeindruck wäre unter Denkmalschutz vermutlich so nicht möglich gewesen. Die Nutzung einer Kirche als Kindertagesstätte ist in dieser Form als Innenspielplatz zunächst überraschend, leistet aber einen Beitrag zur sozialen Ausstattung des Quartiers, der im passenden Gebäude auch aus kirchlicher Sicht akzeptabel erscheint.

Jörg Beste, synergon Köln

Weitere Informationen zum Projekt:

https://www.detail.de/blog-artikel/kita-statt-kirche-st-sebastian-in-muenster-umgewidmet-22709/