Bei der Umnutzung von Kirchen aus der Moderne ist das Urheberrecht des oft noch lebenden Architekten oder seiner Erben zu beachten. Architekten und Architektinnen haben als Urheber des Bauwerks grundsätzlich ein schützenswertes Interesse an der Erhaltung ihres Werks in seiner unveränderten individuellen Gestalt. Änderungen können das Urheberrechtsinteresse verletzen, denn das Urheberrecht von Architekten und Architektinnen, Künstlern und Künstlerinnen erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod.
Nach dem Urheberrecht sind unter anderem Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst sowie die Entwürfe solcher Werke geschützt. Dazu ist erforderlich, dass sich diese Werke als eine persönliche geistige Schöpfung erweisen. Ob eine solche Leistung vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur individuell beantwortet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH in seiner Entscheidung vom 19.03.2008 I ZR 166/05) muss das Bauwerk „aus der Masse des durchschnittlichen, üblichen und alltäglichen Bauschaffens herausragen und nicht nur das Ergebnis eines rein handwerklichen routinemäßigen Schaffens darstellen“.
Entscheidend für die urheberrechtliche Beurteilung sind die Originalität und Individualität des Architektenwerks. Dies umfasst zum Beispiel auch die Art der Gestaltung eines Innenraums (BGH GRUR 1982, 107 f. – Kirchen Innenraumgestaltung). Die Gerichte hatten in einer Reihe von Fällen aus den letzten Jahren Gelegenheit, sich mit den Urheberschutzfähigkeiten von Bauten zu befassen. Zu Kircheninnenraumgestaltungen hat sich der Bundesgerichtshof (in seiner Entscheidung BGH, Baurecht 1982, S. 178)geäußert und festgestellt, dass der Urheberrechtsschutz an einem Kirchenbau auch die bauliche Innenraumgestaltung erfassen könne. Dahingehend können sogar die Aufstellung und Gestaltung von Einrichtungsgegenständen urheberrechtlich relevant sein, wenn diese Gegenstände entsprechend der architektonischen Planung derart in die bauliche Innenraumgestaltung einbezogen sind, dass sie das Raumbild entscheidend mitprägen. Im Gegensatz dazu hat der Bundesgerichtshof für den Umbau eines Kircheninnenraums in seiner neueren Entscheidung vom 19.03.2008 (s. o.) festgestellt, dass mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht das Interesse des Urhebers an der unveränderten Erhaltung seines Architektenwerks im Einzelfall zurückstehen müsse.
Die Urheberschaft ist höchstpersönlich, da der Urheber bzw. die Urheberin als Schöpfer bzw. Schöpferin des Werks gilt. Dieses Privileg besitzt nur eine natürliche oder physische Person, das heißt, der Mensch in seiner Rolle als Rechtssubjekt.
Da das Urheberrecht vererblich ist, geht es auf die Erben des Werkschöpfers über und endet erst 70 Jahre nach seinem Tod. Bis zu diesem Zeitpunkt und darüber hinaus existiert also ein Anspruch auf Urheberpersönlichkeitsrechten, wozu in erster Linie das Recht auf Namensnennung und das Veröffentlichungsrecht zählen.
Zusätzlich gilt das sogenannte Abwehrrecht, mit dem der Urheber Entstellungen und andere Beeinträchtigungen des Werks verbieten kann. Damit stellt es ein wesentliches Instrument des Urheberschutzes dar.
Das Änderungs- und Entstellungsverbot wird insbesondere beim Bauen im Bestand, also beispielsweise beim Umbau eines Kirchengebäudes zu anderen Nutzungen, äußerst relevant. Soweit ein Objekt Urheberschutz genießt, darf der Eigentümer oder die Eigentümerin trotz seiner oder ihrer starken Eigentümerposition nicht ohne Weiteres das Objekt verändern oder gar entstellen. Bei einem derartigen Konflikt zwischen dem Erhaltungsinteresse des Architekten und dem Interesse des Bauherrn auf Änderung des Bauwerks ist jeweils eine anhand des Einzelfalls gebotene Interessenabwägung erforderlich. Dabei spielt insbesondere die Erheblichkeit des Eingriffs in das Urheberrecht eine Rolle. In der Rechtsprechung wird in derartigen Abwägungsfällen weiterhin geprüft, ob durch die entsprechenden Änderungen das Ansehen des Architekten oder der Architektin schwerwiegend beeinträchtigt wird. Bei Änderungen aufgrund von gesetzlichen Vorgaben oder notwendigen energetischen Sanierungsmaßnahmen, wie die Verbesserung der Wärmedämmung, muss der Architekt eine Beeinträchtigung seines Urheberrechts hinnehmen, wenn sie im Einzelfall durch begründete Interessen des Eigentümers gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.09.2015 – 20 U 75/14).
Eine Kirchengemeinde als Eigentümerin und Bauherrin eines Kirchengebäudes ist in der Praxis gut beraten, den ursprünglichen Architekten oder seine Erben einzuschalten, wenn Änderungen am Bauwerk vorgenommen werden sollen. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, diesen vertraglich mit weiteren Leistungen zu beauftragen. Aufgrund der ursprünglichen Planungsleistungen wird der mit dem Werk vertraute Architekt oder die Architektin bei der Durchführung von Änderungen allerdings am ehesten dem Charakter des Bauwerks Rechnung tragen. Soll eine Kirchenumnutzung in einem Architektenwettbewerb entwickelt werden, bietet es sich daher an, den Urheber bzw. die Urheberin zur Teilnahme aufzufordern oder ihn bzw. sie in die Jury des Verfahrens einzuladen.
Für künstlerische Werke der angewandten Kirchenkunst können die Ausführungen sinngemäß übertragen werden.
Der Text ist eine überarbeitete Kurzfassung eines Praxishinweises der Architektenkammer NRW zum Urheberrecht. Die vollständige Fassung finden Sie hier.
Dipl.-Ing. Herbert Lintz, Architektenkammer NRW, Düsseldorf